Fünf Minuten noch. Andreas Fix, 42, tritt noch kräftiger in die Pedale, Schweißperlen stehen ihm auf der Stirn. Mit einem letzten Kraftaufwand ist die Strecke geschafft. Er steigt ab, wischt sich mit dem Handtuch über die Stirn. Doch Fix ist gerade kein Rennen und auch nicht zur Arbeit gefahren. Er steht ausgepowert neben dem Fahrradtrainer – Physiotherapie statt Fahrradtour. Der VBG-Versicherte kämpft sich zurück in seinen Alltag.
Im Sommer dieses Jahres ist Fix am 23. Juni das letzte Mal zur Arbeit gefahren. Mit dem E-Bike, das ihm der Arbeitgeber zur Verfügung gestellt hatte, war er auf dem Weg zur rund 20 Kilometer entfernten Arbeitsstelle, als er mit dem Fahrrad verunfallte. Wenn der 42-Jährige heute daran zurückdenkt, findet er es noch immer schwierig, das Ereignis einzuordnen: „Nichts hat darauf hingedeutet: Der Radweg war nicht glatt, es gab wenig Verkehr, und ich war auf die Strecke konzentriert. Auf einmal ist mir jedoch etwas ins Ohr geflogen, und vor Schreck habe ich mit einer Hand den Lenker losgelassen.“ Fix verlor die Kontrolle über das Fahrrad und stürzte. „Ich war nicht schnell unterwegs, aber ich muss so unglücklich gefallen sein, dass mein rechter Arm und mein Mittelfußknochen auf der linken Seite brachen.“ Der erste Schreck war groß, doch Passantinnen, die Zeuginnen des Unfalls wurden, waren schnell zur Stelle und informierten den Rettungsdienst. Fix kam auf direktem Wege ins nächstgelegene Krankenhaus. „Die Ärzte sagten mir direkt, dass ich operiert werden muss, aber eigentlich sind solche Eingriffe Routine. Arm und Fuß würden gerichtet und heilen dann üblicherweise innerhalb von einigen Wochen“, erzählt Fix. Doch es gab Komplikationen.
Als Anett Stumpf von der VBG am 6. Juli den Fall als Reha-Managerin übernahm, wunderte sie sich kurz: „Normalerweise bekommt die VBG unmittelbar Bescheid, wenn eine Versicherte oder ein Versicherter verunfallen.“ Doch in diesem Fall vergingen zwei Wochen, bis der Fall der VBG gemeldet wurde. „Ich kann nur jedem Arbeitnehmer und Arbeitgeber empfehlen, sich zu informieren, welche Berufsgenossenschaft zuständig ist“, rät Fix. Stumpf ist erleichtert, dass nicht noch mehr Zeit bis zum Erstkontakt vergangen ist: „Die ersten Tage nach der Behandlung sind wichtig, um zu schauen, wann mit der Rehabilitation, sprich Krankengymnastik, Physiotherapie und Reha-Maßnahmen begonnen werden kann. Denn eigentlich gilt: je früher, desto besser!“
Gemeinsam mit dem Arzt und dem Versicherten fertigte Stumpf einen Reha-Plan für die kommenden Wochen und Monate an. Ausgehend von dem Unfallzeitpunkt gliedert sich die Behandlung in verschiedene Phasen. Je nach Phase gibt es unterschiedliche Behandlungsziele und Therapieformen.
Obwohl Andreas Fix mit den ersten Physiotherapie-Stunden früh beginnen konnte, machten die Verletzungen weiter Probleme. Die Verheilung des Fußes verlief nicht wie geplant. In Anwesenheit von Anett Stumpf entschied er sich auch auf Anraten der Ärztinnen und Ärzte zu einer zweiten Operation im Juli – dieses Mal in der BG Unfallklinik Frankfurt am Main. „Die Herausforderung ist, zu erkennen, dass es sich um ein schweres komplexes Verletzungsbild handelt, welches einer Steuerung in die Spezialklinik zu Fachärztinnen und -ärzten bedarf“, so Stumpf. Durch die schnelle Reaktion der Reha-Managerin und den Wechsel in eine Spezialklinik konnte eine bestmögliche weitere Behandlung der Verletzungen gewährleistet werden. In der BG Klinik wurde der Fuß in einer erneuten Operation für einen besseren Heilungsverlauf noch einmal mit Metall fixiert. Die nächsten Wochen bestanden für Fix vor allem aus Wundkontrollen, Physiotherapie und der Bewältigung des eingeschränkten Alltags: „Ich bin einfach nur froh, dass meine Frau, die selbst Krankenschwester ist, sich so gut um mich kümmern konnte. Und auch die Physiotherapie hilft enorm – von Mal zu Mal sieht man den Fortschritt.“
Dass die Rehabilitation trotz der Umstände so schnell voranging, liegt laut Stumpf vor allem an der Tatsache, dass die VBG ganz individuell auf den Versichertenfall eingehen kann: „Es wird bei uns kein ‚Behandlungsmuster X‘ über die Versicherten gelegt und gehofft, dass alles wieder gut wird. Stattdessen haben wir bei Herrn Fix ganz genau geschaut, was er braucht, und uns mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten eng abgestimmt, um die nächsten Schritte einzuleiten.“ In diesem Fall waren die Umstände besonders herausfordernd – auch deshalb, weil zwei unterschiedliche Extremitäten betroffen sind und die jeweilige Verletzung eine andere Behandlung zu jeweils unterschiedlichen Zeiten bedarf. „Da die ärztliche Behandlung und operative Versorgung von Herrn Fix noch nicht abgeschlossen ist, war es auch für uns schwierig, konkrete zeitliche Ziele im Reha-Plan festzuhalten. Wir haben deshalb Folgetermine vereinbart, um die entsprechenden Ziele zu vereinbaren und um den Reha-Plan fortzuschreiben“, so Stumpf. So kommt es, dass Andreas Fix schneller, als er wohl für möglich gehalten hätte, auf das Fahrrad zurückkehrt – wenn auch nur als Trainingsgerät, um den Kreislauf wieder langsam zu stärken. „Die ersten Wochen konnte ich in der Krankengymnastik nur Dehnübungen und leichte Kraftübungen machen – da tut es jetzt wahnsinnig gut, wieder körperlich richtig aktiv zu sein“, so Fix. „Aber ich freue mich auch darauf, endlich wieder draußen mit dem Fahrrad unterwegs zu sein.“ Doch das wird voraussichtlich noch einige Wochen dauern.
Die Heilung beider Verletzungen schreitet gut voran, und als Nächstes wird mit der stationären Reha gestartet. Der Fuß darf mittlerweile mit dem vollen Gewicht belastet werden, und die Achselstützen sind passé. Doch mit der Fußschiene, einem speziellen Schuh, ist Andreas Fix nur eingeschränkt mobil. „Es war eine enorme Erleichterung, dass es für die Krankengymnastik einen Krankentransport und mittlerweile die Möglichkeit, mit dem Taxi zu fahren, gibt“, sagt Fix. Erst wenn er wieder voll belastbar ist, stabil stehen und laufen kann und keine Einschränkungen mehr mit dem Arm hat, soll auch die Rückkehr an den Arbeitsplatz erfolgen. „Mit meinem Chef stehe ich regelmäßig im Kontakt. Alle freuen sich auf meine Rückkehr, die vielleicht noch dieses Jahr erfolgt“, erzählt Fix. „Doch ich weiß, dass ich geduldig sein muss.“ Für die Rückkehr sieht das Gesetz ein Betriebliches Eingliederungsmanagement mit dem Ziel vor, die Arbeitsunfähigkeit von Beschäftigten zu überwinden und erneuten Ausfallzeiten vorzubeugen. Frau Stumpf steht im Kontakt mit dem Arbeitgeber und wird die Eingliederung abstimmen und begleiten. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Oder genauer gesagt „einige Kilometer mit dem Fahrradtrainer“, wie Fix scherzhaft sagt.
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