Die Arbeitswelt wird komplexer, Innovationszyklen werden kürzer. Eine Antwort auf diese Herausforderungen stellt agiles Arbeiten dar. Agile Arbeitsformen bieten die Chance, schnell und flexibel auf komplexe Anforderungen und Veränderungen zu reagieren – und sie haben das Potenzial, Arbeit gesundheitsförderlich zu gestalten, wie die VBG in einem Forschungsprojekt herausgefunden hat.
Kein Wunder, dass es sich zunehmender Beliebtheit erfreut: In einer Umfrage von Bitkom Research aus dem Jahr 2022 gaben gut drei Viertel der Unternehmen an, dass Agilität für die Produktentwicklung in ihrem Unternehmen wichtig oder sehr wichtig sei. Ein Großteil setzt dabei auf die Methode Scrum. Aber auch der Ansatz des Design Thinkings wird immer beliebter.
Vom Methodenkoffer zum holistischen Ansatz
Dabei wird Design Thinking einer Studie des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) von 2022 zufolge heute – anders als noch vor einigen Jahren – nicht mehr nur als agile Methode betrachtet, deren Schritte genauestens verfolgt und eingehalten werden müssen. Mittlerweile sei Design Thinking gelebte Innovationskultur – und weit mehr als nur ein Methodenkoffer voller Techniken. Es handelt sich somit um einen holistischen agilen Ansatz: Er betrachtet nicht nur Prozesse und Tools, sondern fördert auch einen Mentalitätswandel und verliert dabei die kulturelle und soziale Dimension nicht aus den Augen.
Das sieht auch Henning Patzner so, für den Design Thinking auf einem Mindset beruht, das „auf Respekt, Fairness, Augenhöhe, Spaß, Selbstbestimmung und Freiheit basiert“. Der Kreativitäts- und Innovationstrainer berät nationale und internationale Unternehmen und ist sich sicher: „Die Zukunft ist agil. Wer heutzutage noch mit einem autoritären Chef arbeitet, sollte sich nach etwas Neuem umsehen. Und wer am liebsten nur Anweisungen entgegennimmt und nicht selbst denken möchte, ist im 21. Jahrhundert noch nicht angekommen.“
Multidisziplinäre Teams, variable Räume, iterative Schleifen
Bei aller Freiheit gibt aber auch Design Thinking Rahmenbedingungen vor, die eine systematische Herangehensweise an komplexe Problemstellungen ermöglichen. Wesentlich sind multidisziplinäre, möglichst diverse Teams, die über Fachgrenzen hinausgehende Ideen entwickeln können. Besonderes Augenmerk legt das Design Thinking zudem auf variable Räume. Die Idee hierbei: Kreativität und Innovationen entstehen am besten in einer flexiblen und freien Arbeitsumgebung, die spontan den jeweiligen Bedürfnissen angepasst werden kann. Patzner fasst es so zusammen: „Am wichtigsten sind kreative Räume, gemischte Teams und Spaß bei der Sache. Hierarchie aus, Freiheit und Selbstbestimmung an.“
Der Innovationsprozess des Design Thinking selbst führt typischerweise durch sechs Phasen – und zwar iterativ, also in Schleifen: verstehen, beobachten, Sichtweise definieren, Ideen finden, Prototyp erstellen und testen. Mit dem Prototyp soll ein abstraktes Konzept greifbar gemacht werden. Er kann durchaus auch multimedial sein und neben neuen Produkten neue Services oder Geschäftsmodelle veranschaulichen. Wie beim agilen Arbeiten üblich, wird in jeder Schleife das Zwischenergebnis evaluiert. Genau das gefällt Patzner so am Design Thinking: „Man entwickelt so schnell wie möglich einen Prototyp und holt Feedback ein. Idealerweise ist das alles sehr spielerisch organisiert. Der Prototyp wird dann Runde für Runde verbessert – aber nur, wenn er beim Testpublikum gut ankommt. Diese Arbeitsweise kann großen Spaß machen.“
Gerade die Bedeutung des Testpublikums kann gar nicht überschätzt werden. Denn anders als konservative Produktentwicklungsansätze setzt Design Thinking auf eine radikale Nutzerzentriertheit: Echtes Interesse am Menschen, Empathie sowie die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer stehen im Mittelpunkt des Innovationsprozesses. „Wochenlang allein auf einer Idee herumzudenken, ist einfach nicht mehr angesagt“, betont Patzner.
Agile Methoden als Chance für Arbeitszufriedenheit und Wohlbefinden
Patzner ist überzeugt, dass agilem Arbeiten und insbesondere dem Design-Thinking-Ansatz nicht nur hinsichtlich der Innovationsfähigkeit von Unternehmen die Zukunft gehört, sondern auch in Bezug auf Arbeitszufriedenheit und Wohlbefinden der Beschäftigten: „Design Thinking ist schnell, auf Augenhöhe, lustig, ergebnis- und feedbackorientiert und spielerisch. Man weiß, dass man an einer Idee arbeitet, die gut ankommt. Das beflügelt!“ Es überrascht daher nicht, dass die Anzahl von Organisationen, die Design Thinking praktizieren, laut HPI-Studie exponentiell wächst – und zwar branchenübergreifend. Dennoch sind agile Methoden – auch das ein Ergebnis des VBG-Forschungsprojekts – nicht für jedes Unternehmen gleich gut geeignet. Bestimmte Grundvoraussetzungen sind unabdingbar: Fehlen Vertrauen und Offenheit im Unternehmen, wird das Prinzip der Selbstorganisation nicht gelebt und existiert keine positive Fehlerkultur, kann agiles Arbeiten sogar negative Auswirkungen haben. Für eine erfolgreiche und gesundheitsgerechte Umsetzung agiler Arbeitsformen sollten sich Unternehmen deshalb aktiv mit deren Chancen und Risiken auseinandersetzen. Um die Potenziale von agilem Arbeiten auszuschöpfen, muss dies gut geplant, eingeführt und gestaltet werden.
Henning Patzner jedenfalls ist überzeugt davon, dass der Weg raus aus alten, starren und analogen Denkmustern hin zu nicht-linearen Arbeitsprozessen und flexiblen Arbeitswelten der richtige ist. Dass diese Transformation nicht über Nacht funktioniert, ist ihm klar: „Das geht nicht auf Knopfdruck. Die Leute müssen ausgebildet werden. Sie müssen ihre Rollen verstehen. Dafür braucht man Geduld.“ Aber, so Patzners Fazit: „Es lohnt sich.“
Digitale Roadmap „Gesund agil arbeiten“
Ob erfahrene Anwender oder interessierte Einsteigerinnen: Unternehmen, die auf eine gesunde Gestaltung der agilen Arbeit achten möchten, bietet die VBG mit der Roadmap „Gesund agil arbeiten“ eine praktische Hilfestellung. Aus dem Forschungsprojekt „Agiles Arbeiten – flexibel, gesund, erfolgreich“, das die VBG gemeinsam mit der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) und der GITTA mbH durchgeführt hat, wurde ein modular aufgebautes Angebot entwickelt. Dieses können Interessierte eigenständig durchführen. Das Programm umfasst sowohl Konzepte für Workshops als auch Handlungsempfehlungen für den betrieblichen Einsatz. Die Angebotspalette reicht von der Einführung agiler Methoden bis zur gesunden Ausweitung des agilen Arbeitens im Unternehmen. Ein Modulnavigator hilft den Anwendenden dabei, herauszufinden, welches Angebot für sie passt. Alle Infos zur neuen VBG-Roadmap finden Sie hier.
Veröffentlicht am