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Foto: VBG

Praxistipps Bewegung„Jeder Schritt zählt!“

Mit der Kampagne „Level Up @ Work” möchte die VBG mehr Bewegung ins Büro bringen. Warum das wichtig ist, erklären Dr. Vera Stich-Kreitner und Dr. Andreas Sommerfeld.

Frau Dr. Stich-Kreitner, Herr Dr. Sommerfeld, die VBG hat Videos produziert, die zu mehr Bewegung im Büro motivieren sollen. Was ist der Hintergrund?

Dr. Andreas Sommerfeld: Daten der letzten Jahre zeigen uns, dass Menschen mit Bürojobs in ihrem Alltag viel zu viel sitzen – privat, auf der Arbeit und auf dem Weg dorthin. Diese Entwicklung wurde durch zunehmende Tätigkeiten im Homeoffice noch verschärft. Und die Daten zeigen auch, dass dieses viele Sitzen erhebliche gesundheitliche Auswirkungen hat.

Welche gesundheitlichen Risiken sind denn mit einem bewegungsarmen Lebensstil verbunden? 

Dr. Vera Stich-Kreitner: Eine Menge. Allen voran Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Aber auch Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus, bestimmte Krebserkrankungen oder Demenz werden begünstigt. Muskel- und Skelettbeschwerden sind sogar sehr stark mit Bewegungsarmut assoziiert – statistisch gesehen stärker als schweres Heben und Tragen! Es gibt wirklich zahlreiche Beschwerden, für die gut belegt ist, dass mangelnde Bewegung das Risiko erhöht. Für langes Sitzen sind wir schlicht nicht gemacht. Umgekehrt zeigen Studien, dass mehr Bewegung das Risiko auch wieder senkt.

Wie viel Bewegung wird denn empfohlen?

Stich-Kreitner: Die WHO-Bewegungsrichtlinien empfehlen mindestens 150 Minuten moderate oder 75 Minuten intensive Bewegung pro Woche. Das ist eigentlich leicht zu erreichen, etwa durch schnellere Spaziergänge oder Treppensteigen. Eine halbe Stunde Bewegung pro Arbeitstag lässt sich auch wunderbar auf kleine Einheiten verteilen: zehn Minuten auf dem Weg zur Arbeit, in der Mittagspause und abends. Doch viele Menschen denken, das bisschen nützt eh nichts und lassen es. Doch das ist falsch! Jeder Schritt zählt und auch kleine Bewegungseinheiten bringen etwas.

Sommerfeld: Gerade die ersten zwei-, dreitausend Schritte täglich bringen, relativ betrachtet, den meisten Benefit. Es lohnt sich also immer, anzufangen – egal wie wenig es zunächst ist. Und es lohnt sich, dies möglichst regelmäßig zu tun.

Es lohnt sich immer, anzufangen – egal wie wenig es zunächst ist.
Dr. Andreas Sommerfeld

Für VBG-Arbeitsmediziner Dr. Andreas Sommerfeld ist es wichtig, die Bewegung möglichst niedrigschwellig in den Arbeitsalltag zu integrieren. Ein Ansatz, den auch die Video-Reihe „Level Up @ Work” verfolgt.

Foto: VBG/Matthias Hundt

Haben Sie spezifische Tipps, wie diese kleinen Bewegungseinheiten in den Arbeitsalltag integriert werden können?

Sommerfeld: Das fängt auf dem Weg zur Arbeit an: Warum nicht eine Busstation früher aussteigen und den Rest zu Fuß zurücklegen? Im Bürogebäude können statt des Aufzugs die Treppen genommen werden. Vier, fünf Mal am Tag Treppensteigen bringt den Kreislauf wunderbar in Schwung. Oder im Büro im Gehen telefonieren statt im Sitzen. Auch in Meetings sollte zwischen Stehen und Sitzen gewechselt werden. Die Erfahrung zeigt, dass Beschäftigte bei solchen „stehenden Sitzungen“ motivierter und aktiver sind und viel mehr in den Austausch gehen, was ein zusätzlicher positiver Effekt ist. Apropos Stehen: Auch höhenverstellbare Tische helfen. Stehen ist zwar noch kein Gehen, aber doch schon eine spürbare Aktivierung des Muskel-Skelett-Systems.

Stich-Kreitner: Das ist ganz wichtig zu betonen: Jeder weiß, dass wenig Bewegung an sich schon nicht gut ist. Was den meisten dagegen nicht bewusst ist: Sitzen über mehrere Stunden am Stück erhöht das Risiko für viele Erkrankungen. Deswegen sind auch kleine regelmäßige Bewegungseinheiten, die das Sitzen unterbrechen, so wichtig.

Sitzen über mehrere Stunden erhöht das Risiko für viele Erkrankungen. Deswegen sind auch kleine regelmäßige Bewegungseinheiten so wichtig.
Dr. Vera Stich-Kreitner

Wie können Unternehmen dabei helfen, dass sich Beschäftigte mehr bewegen?

Für VBG-Arbeitsmedizinerin Dr. Vera Stich-Kreitner spielen Führungskräfte eine entscheidende Rolle für eine Kultur der Bewegung im Unternehmen. Sie sind für ihr Team wichtige Vorbilder – im Positiven wie im Negativen.

Foto: Kollmeier/VDBW

Stich-Kreitner: Zunächst einmal sollten Unternehmen den Beschäftigten vermitteln, dass es ihnen wichtig ist, dass sie sich bewegen. Und dann eben Anreize schaffen und Bewegung ermöglichen, zum Beispiel durch höhenverstellbare Tische. Oder durch Stehtische in den Meetingräumen. Gibt es da nur Sitztische, sitzen natürlich alle. Viel wichtiger und effektiver als Stehen sind jedoch Bewegungseinheiten wie Treppensteigen oder Spaziergänge. Und auch langes Stehen ist nicht zu empfehlen – der Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen bringt es. Vorgesetzte sollten mit gutem Beispiel vorangehen, vielleicht auch mal ein Meeting im Freien ansetzen. Studien zeigen, dass Beschäftigte sich durch eine „Bewegungskultur“ im Unternehmen und durch Bewegungsangebote motivieren lassen.

Sommerfeld: Wichtig ist dabei, die Beschäftigten einzubeziehen und nicht „am Markt vorbeizuplanen“. Gerade wurde eine größere Studie an Verwaltungsangestellten eines Universitätsklinikums veröffentlicht. Nach Befragung der Beschäftigten zeigte sich, dass Stehpulte als Maßnahme am häufigsten gewünscht wurden, gefolgt von Stehmeetings, Pop-ups mit Aufforderungen zur Bewegung und Bewegungsvideos.

Sie sprachen es anfangs an: Die Zunahme der Arbeit im Homeoffice hat die Lage noch verschärft. Welche Herausforderungen bestehen hier und wie kann man ihnen begegnen?

Sommerfeld: Arbeiten Beschäftigte ausschließlich im Homeoffice, sitzen sie täglich mehr als elf Stunden. Hybrides Arbeiten mit dem Wechsel zwischen Büro und Homeoffice führt nur zu geringfügig kürzeren Sitzzeiten. Das hängt auch mit dem wegfallenden Arbeitsweg zusammen, aber Menschen neigen darüber hinaus dazu, im Homeoffice passiver zu werden. Dabei gibt es zu Hause eher mehr Möglichkeiten, sich bei Arbeitsunterbrechungen zu bewegen. Vom Wäscheaufhängen übers Einkaufen bis zum Spaziergang oder Joggen. Aber zu oft werden bewegungsarme Verhaltensmuster vom Büro in das Homeoffice mitgenommen. Es ist noch nicht angekommen, diese Möglichkeiten für bewusste Bewegungspausen zu nutzen.

Stich-Kreitner: Hinzu kommt, dass man im Homeoffice allein ist. Es gibt niemanden, der zu einer gemeinsamen Pause motiviert. Man spricht in diesem Zusammenhang von Gesundheitskompetenz: Es wird für Beschäftigte immer wichtiger, in der Lage zu sein, sich um sich selbst zu kümmern.

Entscheidend sind realistische Ziele. Niemand soll überfordert werden.
Dr. Andreas Sommerfeld

Wie kann man denn erreichen, dass sich Beschäftigte auch zu Hause mehr bewegen?

Stich-Kreitner: Untersuchungen zeigen, dass viele Menschen im Homeoffice intensiver arbeiten als im Büro. Es ist jedoch nachgewiesen, dass niemand mehrere Stunden am Stück konzentriert arbeiten kann. Man macht immer kleine Pausen, nur sind die oft ineffektiv, weil sie nicht viel für die Gesundheit oder die Konzentrationsfähigkeit bringen. Hier müssen Unternehmen meiner Meinung nach umdenken und den Beschäftigten auch kurze aktive Pausen zugestehen, sie sogar dazu ermutigen. Denn eine aktive Pause ist eine gewinnbringende Pause. Sie unterstützt die Gesundheit und die geistige Fitness.

Und was können Beschäftigte selbst tun?

Sommerfeld: In manchen asiatischen Ländern ist es durchaus üblich, dass während der Bildschirmarbeit regelmäßig Bewegungsübungen auf dem Monitor erscheinen. Ein Weiterarbeiten ist erst nach wenigen Minuten mit einem kleinen Übungsprogramm möglich. Beschäftigte können sich in ähnlicher Weise im Homeoffice einen Timer stellen und sich an kurze Bewegungspausen erinnern lassen. Was sie dann genau machen, ist zweitranging. Entscheidend ist die regelmäßige Bewegung.

Stich-Kreitner: In dem VBG-Faltblatt „Bewegung bei der Arbeit“ finden Interessierte zum Beispiel kleine Übungen, die man am Bürostuhl durchführen kann. Und unsere neuen Bewegungsvideos „Level Up @ Work“ geben jede Menge Anregungen für Bewegungseinheiten. Es ist eine reine Gewohnheitsfrage, aktiv zu werden und jeden Tag zwei, drei solcher Übungen zu machen. Dazu muss ich allerdings erst einmal den Mehrwert für mich erkennen und verinnerlichen.

Sommerfeld: Sowohl Vorgesetzte als auch Beschäftigte sollten auf realistische Ziele achten. Auch kleine Schritte zu mehr Bewegung in der täglichen Routine können helfen, viel zu lange Sitzzeiten zu reduzieren. Da setzen auch unsere Videos an. Niemand soll überfordert werden.

„Level Up @ Work – Bring Bewegung ins Büro!” 

Unter diesem Motto hat die VBG vier kurze Videos erstellt, die dazu motivieren sollen, mehr Bewegung in den Arbeitsalltag zu integrieren und eine Bewegungskultur im Unternehmen zu etablieren. Die Videos halten praktische Tipps sowohl für Unternehmerinnen und Unternehmer als auch für Beschäftigte bereit und sind auf dem YouTube-Kanal der VBG abrufbar.

Weitere Informationen und Tipps gibt es zudem auf der VBG-Themenseite „Bewegung bei der Arbeit“.

So machen Sie Ihren Beschäftigten Beine!

Mehr Bewegung im Büroalltag geht jetzt ganz einfach. Zeigen Sie einen der Level Up @ Work-Filme zu Beginn der nächsten Teambesprechung. Oder in der gemeinsamen Kaffeepause. Oder verschicken Sie den Link in der Mittagspause.

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