Claudia Frank ist eine Macherin. Seit knapp 40 Jahren ist die Berlinerin als Juristin tätig – nebenbei ist sie in verschiedenen Ehrenämtern aktiv. Zuletzt wurde sie zur Vorsitzenden der Vertreterversammlung der VBG gewählt. Im Interview wird schnell klar: Frank hat Spaß am Austausch und keine Angst vor Konfrontation.
Frau Frank, Sie wurden im Herbst 2023 zur Vorsitzenden der Vertreterversammlung auf Arbeitgeberseite gewählt. Was sind Ihre Aufgaben dort?
Die Vertreterversammlung ist ein zentrales Organ der Selbstverwaltung. Hier kommen Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden zusammen, um über grundsätzliche Angelegenheiten der Berufsgenossenschaft zu entscheiden. Wir kümmern uns beispielsweise um die Dienstordnung inklusive des Stellenplans. Wir beschließen Unfallverhütungsvorschriften. Wir stellen den Haushaltsplan fest und nehmen die Jahresabrechnung ab. Und wir besetzen die Widerspruchs- und Einspruchsausschüsse – das sind wichtige Gremien, die dazu beitragen, dass Streitfälle zwischen Versicherten und der Berufsgenossenschaft fair und transparent geklärt werden können.
Wie bringen Sie die Interessen der Arbeitgebenden in die Vertreterversammlung ein?
Ich unterhalte mich mit den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern und höre ganz genau zu. Die Anliegen nehme ich mit in die Sitzungen. Ich sammle gute Argumente und gebe nicht mal eben so klein bei. Mein Motto ist: Geht nicht, gibt’s nicht! Was mir am Herzen liegt, ist, dass wir uns zuhören und aufeinander einlassen – dann entsteht ein guter Diskurs. Nur so können wir gemeinsam etwas bewegen.
Wir könnten uns so einige Vorschriften und Regelungen sparen, wenn sich mehr Menschen engagieren würden.
Das klingt nach viel Zusatzarbeit neben Ihrem Beruf. Und trotzdem haben Sie sich bewusst dazu entschieden, ehrenamtlich bei der VBG tätig zu sein. Warum ist Ihnen das wichtig?
Ohne Ehrenamt funktioniert keine Gesellschaft. Wir könnten uns so einige Vorschriften und Regelungen sparen, wenn sich mehr Menschen engagieren würden. Und was mich persönlich betrifft: Ich bin schon lange in meinem Beruf tätig und habe dadurch mittlerweile den Luxus, zeitlich weniger gebunden zu sein. Diese Zeit möchte ich sinnvoll nutzen.
Warum tun Sie das bei der VBG?
In der Kanzlei, in der ich arbeite, haben wir auch immer wieder Arbeitsunfälle. Da bekomme ich mit, was die VBG in solchen Fällen leistet. Das möchte ich vorantreiben. Ich denke dabei immer an ein Zitat des erst kürzlich verstorbenen Politikers Wolfgang Schäuble: „Wir müssen den Menschen klarmachen, wie gut unser Grundgesetz ist.“ Recht hatte er! Und ich möchte dabei helfen, den Menschen klarzumachen, wie großartig unsere Berufsgenossenschaft ist. (lacht)
Was sind aktuell die drängendsten Wünsche der rund 1,6 Mio. Mitgliedsunternehmen an die gesetzliche Unfallversicherung VBG?
Ganz oben auf der Agenda steht die Digitalisierung. Die Arbeitgebenden wünschen sich, viel mehr digital erledigen zu können. Was uns alle außerdem immer umtreibt: die Beitragssicherheit. Für die Unternehmen ist mit Blick auf die Beitragsentwicklung eine gute Planbarkeit entscheidend. Im Bereich Prävention möchte ich auch Fortschritte erzielen…
An was denken Sie dabei genau?
Ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt, ist das Safeguarding, zum Beispiel in Kirchen. Sie gehören auch zu unseren Mitgliedern. In Safeguarding-Programmen werden Kirchenmitglieder ausgebildet, um Missbrauch jeglicher Art zu erkennen und zu verhindern. Ich selbst bin in diesem Bereich tätig und finde es toll, dass die VBG solche Programme unterstützen möchte.
Haben Sie ein Beispiel, wo ein Problem von Unternehmen und Versicherten zu einer Dienstleistung oder einem Produkt der VBG wurde?
Ein gutes Beispiel ist das Prämienverfahren der VBG. Die Unternehmen haben ein Interesse daran, ihre Mitarbeitenden vor Gesundheitsgefahren im Arbeitsalltag zu schützen. Die VBG hilft nicht nur bei der praktischen Umsetzung: Besonders sinnvolle Präventionsmaßnahmen, die über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehen, werden durch das Prämienverfahren der VBG auch finanziell gefördert. Das finde ich hervorragend. Das hilft den Versicherten und den Arbeitgebenden sehr und spornt gleichzeitig dazu an, noch mehr in die Prävention zu investieren.
Ich lerne bei der Selbstverwaltung so einiges über unser Miteinander.
Also scheint es Vorteile zu haben, sich als Unternehmerin und Unternehmer in der Selbstverwaltung der VBG zu engagieren?
Wer sich engagiert, übt Einfluss aus und bestimmt mit – man weiß, wohin das Geld fließt. (lacht) Wir haben eben über die Beitragsstabilität gesprochen: Nur wenn sich die Arbeitgebenden aktiv einbringen, können sie bei solchen Themen mitdiskutieren. Wissen Sie, ich bin seit mehreren Jahrzehnten in einem Beruf tätig, in dem ich viel und oft vor Menschen spreche. Trotzdem lerne ich bei der Selbstverwaltung so einiges über unser Miteinander. Und über starke Argumentation. Das ist eine Chance, die ich jedem Menschen empfehle zu nutzen.
Leider ist die gesetzliche Unfallversicherung der am wenigsten bekannte Teil der deutschen Sozialversicherung. Warum braucht Deutschland Ihrer Meinung nach eine gesetzliche Unfallversicherung?
Um Arbeitnehmenden die bestmögliche medizinische Versorgung zu gewährleisten. Und um Arbeitgebende in solchen Fällen vor großen Schadensersatzansprüchen und Haftungen zu schützen. Unser System in Deutschland ist großartig – die Berufsgenossenschaften tun gemeinsam mit den Berufsgenossenschaftlichen Unfallkliniken alles dafür, Arbeitnehmende nach einem Unfall schnell wieder ins Arbeitsleben und in ihren Alltag zurückzuführen.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Claudia Frank ist seit über 25 Jahren Fachanwältin für Arbeits- und Steuerrecht. Neben ihrem Beruf in einer Berliner Kanzlei übt sie in verschiedenen Bereichen Ehrenämter aus. Ehemals war sie Vorsitzende des Verbandes der Freien Berufe in Berlin e.V. Seit über 30 Jahren ist sie Mitglied im Berliner Anwaltsverein, seit einiger Zeit ist sie dort auch im Vorstand tätig. In der Stiftung Überleben half sie bei der psychologischen Betreuung von Gefolterten und für die Kunsthochschule Weißensee unterstützt sie dabei, Stipendien für die Kunststudierenden zu sammeln. Sie ist Safeguard in der Anglikanischen Kirche in Berlin und seit September 2023 die Vorsitzende der Vertreterversammlung der VBG. Dort vertritt sie die Arbeitgeberseite.
Die Selbstverwaltung kurz erklärt
Die soziale Selbstverwaltung ist ein grundlegendes Prinzip des deutschen Sozialversicherungssystems. Es stellt sicher, dass Versicherte und Mitgliedsunternehmen aktiv an der Gestaltung der Versicherung teilnehmen. Als unabhängige Körperschaften können Berufsgenossenschaften eigene Rechtsvorschriften entwickeln, maßgeschneidert für die Bedürfnisse ihrer Mitgliedsunternehmen. Alle sechs Jahre werden ehrenamtliche Vertreter und Vertreterinnen gewählt, um die Berufsgenossenschaften zu lenken. Dieser demokratische Ansatz zielt darauf ab, maximale Transparenz und Akzeptanz zu gewährleisten.
Mehr Infos zur Selbstverwaltung gibt es hier.
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