Wer sich mit den Vorurteilen gegenüber Generationen beschäftigt, wird schnell feststellen, dass diese ziemlich beliebig sind – und sich zum Teil sogar widersprechen: Die Millennials (geboren etwa zwischen 1980 und 1999) wollen angeblich in erster Linie in Beruf und Karriere vorankommen – andererseits sollen ihnen Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtiger sein als eine steile Karriere. Und die Generation Z (geboren etwa zwischen 1995 und 2010) lege einerseits Wert auf Sicherheit und Zugehörigkeit – andererseits wird ihr nachgesagt, nach Abwechslung und individueller Entfaltung zu streben. „Beispiele wie diese gibt es unzählige“, so Prof. Dr. Martin Schröder von der Universität des Saarlandes. „Mich erinnern solche Zuschreibungen an Horoskope. Man behauptet etwas und gleichzeitig dessen Gegenteil. So finden sich alle darin wieder.“ Schröder, der markante Positionen einnimmt und dessen Buch über Feminismus 2023 Diskussionen über den Stand der Gleichberechtigung ausgelöst hat, ist Professor für Soziologie an der Uni Saarland mit Schwerpunkt Europa.
Die Forschung zeigt, was wirklich stimmt
Er hat dazu geforscht, wie die Arbeitsmotivation mit der Generationenzugehörigkeit zusammenhängt. Für seine Studie „Work Motivation Is Not Generational but Depends on Age and Period“ hat er Aussagen verschiedener Generationen aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) miteinander verglichen und dabei den Effekt unterschiedlicher Lebensphasen und Befragungszeitpunkte berücksichtigt.
Dabei hat sich gezeigt: Junge Menschen denken durchaus anders als alte. Und wir alle denken heute anders als früher. „Wenn 18-Jährige also anders über Arbeit denken als 40-Jährige, sagt das nichts über ihre Generation aus – sondern nur über jung und alt“, so der Soziologe.
Denn hier wirkt der sogenannte Periodeneffekt: Wer später geboren wird, wird in der Regel auch später nach seiner Meinung gefragt. Dementsprechend ist diese von anderen Trends oder Ereignissen geprägt. Unterschiedliche Ergebnisse in Befragungen sind also nicht der Generationszugehörigkeit, sondern vielmehr dem Alter und dem Zeitgeist geschuldet. Was zu dem Schluss führt: Die Einstellungen von Menschen lassen sich nicht durch ihr Geburtsjahr erklären.
Nicht Generationen ticken anders – sondern Menschen im unterschiedlichen Alter
Was das konkret bedeutet, zeigt sich, wenn man sich die von Martin Schröder untersuchten Aussagen aus dem SOEP genauer anschaut. Die Befragten konnten zum Beispiel auf einer Skala von 1 („ganz unwichtig“) bis 4 („sehr wichtig“) angeben, wie wichtig ihnen beruflicher Erfolg ist. Bereinigt man die Daten um den Zeit- und Alterseffekt, kommen die Boomer (geboren etwa zwischen 1950 und 1964) hier auf einen durchschnittlichen Wert von 3,01 – wovon die Generation Z mit einem Wert von 2,71 nur 0,3 Punkten entfernt ist. „Wenn wir Menschen im gleichen Alter zur gleichen Zeit vergleichen, sehen wir also, dass die ältere Generation beruflichen Erfolg zwar etwas wichtiger einschätzt. Allerdings ist der Unterschied so gering, dass er statistisch kaum signifikant ist.“
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der intuitive Eindruck, junge Menschen würden heute weniger arbeiten wollen, nicht falsch ist. Er hat jedoch nichts mit der Generation Z zu tun. „Junge Menschen wollten einfach schon immer weniger arbeiten als mittelalte", so Martin Schröder. Und: Heute empfinden alle Menschen, egal welchen Alters, Erwerbsarbeit als weniger wichtig.
Eine wichtige Unterscheidung für die Personalabteilung
„Wer Vorurteile nicht hinterfragt und eine niedrigere Arbeitsmotivation mit der Generationenzugehörigkeit erklärt, wird wahrscheinlich davon ausgehen, dass nur diese Generation weniger motiviert ist zu arbeiten“, erklärt Martin Schröder. Richten sich Maßnahmen zur Motivationssteigerung auf Grund dessen nur an diese Generation, bleibt die Arbeitsmotivation der anderen Beschäftigten natürlich unverändert. Erkennt man hingegen, dass die unterschiedlichen Ergebnisse auf einem Periodeneffekt beruhen, weiß man, dass heute die gesamte Belegschaft weniger motiviert ist als früher. Und dass die Motivation im Laufe des Alters von verschiedenen Faktoren abhängt.
„Statt also von pauschalen Annahmen über bestimmte Generationen auszugehen, müssen Unternehmen die individuelle Lebenssituation ihrer Beschäftigten und die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen im Blick haben“, fasst Martin Schröder zusammen. Denn nur durch individuelle Unterstützung, altersgerechte Personalentwicklung und eine inklusive Unternehmenskultur, die allen Beschäftigten zugutekommt, kann es Unternehmen gelingen, den unterschiedlichen Bedürfnissen ihrer Beschäftigten gerecht zu werden und die Motivation nachhaltig zu erhöhen.
Bei der VBG ist Motivation keine Generationenfrage
Certo hat mit Tim Kauer, Leiter Sachgebiet Recruiting, über die Vorurteile gegenüber Generationen und die Ergebnisse der Studie gesprochen.
Herr Kauer, gibt es bei der VBG Beschäftigte, die besonders motiviert bei der Arbeit sind – und welcher Generation gehören diese an?
Nein, ich kann da die Ergebnisse der Studie bestätigen: Die Arbeitsmotivation hängt nicht von der Generation ab.
Was macht denn die VBG, um die Motivation aller Generationen gleichermaßen zu fördern?
Wir haben verschiedene Maßnahmen zur altersgerechten Personalentwicklung: Vom Eltern-Kind-Büro an vielen Standorten über Flexibilität in Bezug auf Arbeitsort und Arbeitszeit (wenn beispielsweise Eltern gepflegt werden müssen) bis zu einer professionellen externen Sozialberatung für alle Beschäftigten. Übrigens: Unsere familien- und lebensphasenbewusste Unternehmenspolitik wird bereits seit 2009 mit dem Zertifikat „audit berufundfamilie“ honoriert.
Erinnern Sie sich an Ereignisse, die Einfluss auf die Motivation hatten?
Ja, ein bedeutendes Ereignis, das die Arbeitsmotivation beeinflusst hat, war die Corona-Pandemie. Während dieser Zeit mussten sich viele Mitarbeitende an das Homeoffice und flexible Arbeitsmodelle gewöhnen.
Ist das einer Generation besser gelungen als der anderen?
Nein, sowohl jüngere als auch ältere Beschäftigte haben sich nach einer gewissen Eingewöhnungsphase gut an die neuen Bedingungen angepasst. Anstatt miteinander zu konkurrieren, haben sich die Generationen gegenseitig geholfen: Ältere haben von den technischen Kenntnissen der Jüngeren profitiert – und im Gegenzug die Jüngeren mit Erfahrung und Wissen unterstützt.
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