Frau Diehl, auf der Verlagsseite Ihres neuen Buches wird Dr. Eckart von Hirschhausen zitiert. Er sagt: „Wir könnten es schöner haben – und gesünder. Wenn es um die Frage geht, welche Rolle die Mobilitätswende dabei spielt, hat Katja Diehl viele gute Antworten.“ Wie kann die Mobilitätswende denn zur Gesundheit beitragen?
Katja Diehl: Das geht bei der eigenen physischen Mobilität los. Oft wird gesagt: Im ländlichen Raum funktioniert das nicht mit der Mobilitätswende. Es stimmt, wir haben viele Räume autoabhängig gemacht. Aber auch im ländlichen Raum sind heute 50 Prozent der zurückgelegten Wege unter fünf Kilometer weit, zehn Prozent sogar unter einem. Die muss man nicht mit dem Auto fahren. Es schleicht sich aber oft in die Routine ein, dass wir auch Fuß- und Raddistanzen mit dem Auto zurücklegen. Das zu ändern, wäre ein Ansatz. Denn Bewegung tut einfach gut.
Und wie sieht es mit dem ÖPNV aus?
Auch ein gut ausgebauter ÖPNV kann zu einer gesünderen Mobilität beitragen: Für mein Buch habe ich eine Studie verwendet, die zeigt, dass der Stresspegel beim Autofahren in manchen Situationen so hoch ist wie bei Kampfjetpilotinnen und -piloten! Die Zeit im ÖPNV dagegen ist „Me time“ – da kann ich lesen, Musik hören oder noch mal die Augen zumachen. Aber vor allem kann ich die Verantwortung abgeben. Ich werde gefahren – das ist doch grandios!
Unternehmen sollten auch mal positiv irritieren.
Wie können Unternehmen denn konkret dazu beitragen, dass berufliche Mobilität nachhaltiger und gesünder wird?
Für mein Buch habe ich einen Outdoorhersteller interviewt, der „in the middle of nowhere“ sitzt und per ÖPNV nicht gut zu erreichen ist. Was haben sie dort also gemacht? Gemeinsam mit anderen Arbeitgebenden in der Region eine Busanbindung geschaffen! Zusätzlich haben sie Parkplätze abgeschafft und dafür eine Kletterwand gebaut, damit die Beschäftigten in der Pause auch mal so etwas ausprobieren und sich bewegen können. Außerdem haben sie das Dienstrad-Leasing eingeführt. Als Motivation gibt es dazu intern eine kleine „Olympiade“: Da kann man eintragen, wie viele Kilometer man mit dem Fahrrad gefahren ist, und es winken jeden Monat tolle Gewinne. Das zeigt: Man kann viel tun, wenn man denjenigen, die zu Fuß oder mit dem Rad zur Arbeit kommen, Raum und Möglichkeiten gibt.
Die Möglichkeiten sind das Eine. Sie müssen aber auch genutzt werden…
Dabei kann es helfen, die Beschäftigten auch mal positiv zu irritieren, wie ich es nenne. Also etwa die Autoparkplätze vom Firmengelände zu verbannen und woanders einzurichten. Sodass auch Leute mit Auto ein Stück zu Fuß gehen und merken, dass sie den Arbeitsweg auch anders gestalten können.
Warum sollten Unternehmen dies tun?
Es bringt ja wirtschaftlich etwas, wenn die Leute gesund bleiben! Beschäftigte, die regelmäßig mit dem Rad zur Arbeit kommen, haben zum Beispiel weniger Krankentage. Aber auch angesichts des Fachkräftemangels sollte man über die berufsbedingte Mobilität nachdenken. Wir lesen ständig von der Generation Z, die angeblich nicht mehr arbeiten will. Ich glaube, die hat einfach ein anderes Verständnis von Lebensqualität. Dazu gehört es eben auch, Arbeitswege zu vermeiden und im Homeoffice zu arbeiten. Und zwar nicht auf einem kippeligen Küchenstuhl, sondern an einem ergonomisch eingerichteten Arbeitsplatz. Dieses Selbstverständnis haben wir in Deutschland noch nicht. Ich glaube, dass Arbeitgebende, die sich da nicht verändern, Probleme bekommen. Denn solche Maßnahmen laden ja auch dazu ein, sich zu bewerben.
Gut beraten in Sachen berufliche Mobilität
Die VBG versichert die Beschäftigten ihrer Mitgliedsunternehmen auf Dienstreisen, Arbeitswegen sowie im innerbetrieblichen Verkehr und unterstützt Betriebe mit vielfältigen Angeboten dabei, ihre Mobilitätskonzepte weiterzuentwickeln.
Ein wichtiger Punkt dabei ist die Prävention: Durch systematische Verkehrssicherheitsarbeit können Unternehmen das Unfallrisiko ihrer Mitarbeitenden im Straßenverkehr erfolgreich reduzieren.
Sie möchten mehr dazu erfahren? Auf der Überblicksseite „Verkehrssicherheit“ finden Unternehmerinnen und Unternehmer viele Informationen rund um die berufliche Mobilität. Zum Beispiel dazu, wie sie sich in das Gesamtkonzept der Gefährdungsbeurteilung integrieren lässt. Darüber hinaus können sich Betriebe dort über die Bezuschussung von Fahrsicherheitstrainings informieren. Und sie erhalten Tipps, mit welchen weiteren Schutzmaßnahmen mögliche Unfallrisiken reduziert und die Sicherheit ihrer Beschäftigten im Straßenverkehr gefördert werden können.
Sie setzen sich sehr für eine inklusive Mobilität ein. Inklusion und Teilhabe – beruflich wie auch sozial – sind auch Kernthemen der VBG. Welche Rolle spielt diese für einen inklusiveren Arbeitsmarkt und was können Unternehmen tun?
Inklusive Mobilität spielt natürlich auch für den Arbeitsmarkt eine Rolle. Wir wissen zum Beispiel noch gar nicht, welche Auswirkungen Post Covid wirklich haben wird. Davon sind Millionen Menschen betroffen und es schränkt sie teilweise ganz schön ein. Zudem gibt es – nicht nur in diesem Zusammenhang – auch viele Menschen mit unsichtbaren Behinderungen. Wie schön wäre es, wenn wir ein System hätten, in dem man sich nicht outen muss und sagen: Ich habe dieses besondere Bedürfnis, könnt ihr mir das bitte erfüllen? Wir müssen die Mobilität so bauen, dass möglichst viele mitgestalten. Da können auch Arbeitgebende viel tun, indem sie mit Betroffenen hinschauen und sagen: Wir nehmen das Thema Inklusion ernst. Dazu gehört beispielsweise auch das Thema Homeoffice. Das kann nicht nur körperlich beeinträchtigten Menschen, sondern auch zum Beispiel Leuten mit Autismus, die lieber für sich sind, einen attraktiveren Arbeitsplatz bieten. Für Arbeitgebende besteht eine große Chance darin, die Schwelle für Menschen, die bei ihnen arbeiten wollen, hier möglichst gering zu halten.
Wenn Sie Unternehmen, die ihre berufsbedingte Mobilität nachhaltiger gestalten wollen, zum Abschluss noch einen Rat mitgeben wollten: Welcher wäre das?
Arbeitgebende sollten den Wandel als Mission verstehen. Natürlich entsteht solch eine Veränderung nicht von selbst, da muss man im Unternehmen gemeinsam dran arbeiten. Und: Unternehmen sollten dabei den Fokus nicht so sehr auf mögliche Probleme legen, sondern Dinge auch einfach mal ausprobieren.
Das neue Buch von Katja Diehl
In ihrem neuen Buch „Raus aus der AUTOkratie – rein in die Mobilität von morgen“ widmet sich Katja Diehl den Herausforderungen der Verkehrswende auf gesellschaftlicher und systemischer Ebene. Ihre zentrale Frage dabei lautet: Warum stagniert der Fortschritt, obwohl das Wissen für eine zukunftsgerechte Mobilität vorhanden ist?
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