Die Coronavirus-Pandemie nähert sich hoffentlich dem Ende. Wie gute Prävention Unternehmen und Organisationen dabei unterstützen kann, die negativen Effekte der Coronavirus-Pandemie zu mildern, zeigt unsere Reportage über das Betriebliche Gesundheitsmanagement des Bistums Osnabrück aus 2020. Certo wollte wissen, wie es zwei Jahre später aussieht: „GMS hat dazu beigetragen, die Arbeitsfähigkeit zu erhalten und zu fördern“, versichert Aloys Raming-Freesen vom Bistum Osnabrück, einer der Initiatoren des GMS auf Nachfrage von Certo im April 2022.
Was Certo 2020 berichtete
Erfolgreiche Unternehmen organisieren ihre Arbeit so, dass ihre Beschäftigten gesund, motiviert und produktiv arbeiten können. Ein systematisches Betriebliches Gesundheitsmanagement kann dabei sehr hilfreich sein. „Gesundheit mit System" (GMS) ist ein ganzheitlicher Ansatz, mit dem Unternehmen schrittweise Strukturen aufbauen und Abläufe gestalten können, um die Gesundheit, Motivation und Produktivität der Beschäftigten nachhaltig zu sichern und zu verbessern. Das Bistum Osnabrück hat diesen Weg als erste Diözese Deutschlands eingeschlagen.
Herr Raming-Freesen, als Personalleiter im Bischöflichen Generalvikariat, der zentralen Verwaltung im Bistum Osnabrück, haben Sie einen Überblick über die Einrichtungen. Wie funktioniert der Betrieb zu Zeiten des Coronavirus?
Raming-Freesen: Im gesamten Bistum haben wir ca. 32.000 Beschäftigte in einer Vielzahl von Einrichtungen. Unsere Beschäftigten arbeiten in der Kinderbetreuung, Altenhilfe, Pflege, Behindertenhilfe, Psychiatrie, Suchtprävention und Rehabilitation, leisten Hilfe und Beratung für Mütter und Familien, in der Allgemeinen Sozialen Beratung, der Wohnungslosenhilfe, in Migrationsfachdiensten, Krankenhäusern und weiteren Einrichtungen. Die Herausforderungen sind sehr unterschiedlich. Einige Einrichtungen sind geschlossen. Andere weisen einen erhöhten Bedarf auf, etwa was Informationen angeht. In unserer Zentrale bieten wir beispielsweise sowohl die Möglichkeit, am Arbeitsplatz zu arbeiten, als auch von zu Hause aus tätig zu sein. Allerdings verfügen wir nicht über klassische Homeoffice-Plätze mit einer abgenommenen Ausstattung. Deshalb haben wir zum Beispiel ganze Teams umstrukturiert, weil gar nicht mehr alle gemeinsam im Büro sein dürfen und wir eine ganz andere Form von Arbeitspräsenz und Erreichbarkeit gewährleisten mussten. Beschäftigte eines Arbeitsbereiches sind jetzt nicht mehr zur gleichen Zeit im Büro, sodass Infektionsrisiken minimiert und so gegebenenfalls krankheitsbedingte Ausfälle kompensiert werden können.
Welche Maßnahmen wurden dabei konkret ergriffen?
Raming-Freesen: Die Kommunikation funktioniert ja gerade nicht in der bekannten Form des persönlichen Miteinanders. Wir haben unterschiedliche Gremien gebildet, die sich in regelmäßigen Telefon- und Videokonferenzen kurzschließen. Die Methodik der Bildung von interdisziplinären Krisenstäben ist bei uns, unter anderem auch durch die gemeinsame Arbeit am GMS, gut eingeübt. Wir haben im Rahmen des BGMs mit den sogenannten Arbeitssituationsanalysen gearbeitet, die im Prinzip als Gefährdungsanalysen zu sehen sind. Sie sind ein sehr gutes Instrument, um jetzt auch rund um das Coronavirus ganz konkret festzustellen, was notwendig ist, um gesunderhaltende und gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen herzustellen. Die Bandbreite der Maßnahmen reicht von konkreten Arbeitsschutzmaßnahmen wie dem Tragen von Schutzkleidung bis hin zur Überprüfung von Kommunikationswegen. Wir haben auch schnell identifizieren können, wer ein besonderes gesundheitliches Risikopotenzial aufweist. Dank der zum Aufbau des GMS nötigen Schritte waren wir einfach besser vorbereitet als andere Institutionen.
Frau Dr. Imsieke, sie leiten die Stabsstelle Betriebliches Gesundheitsmanagement und Gesundheitsförderung bei der Caritas Osnabrück. Gibt es Ihrer Ansicht nach weitere Vorteile eines GMS zu Zeiten der Corona-Pandemie?
Dr. Imsieke: Wir befinden uns in einer Zeit, in der eigentlich kaum noch etwas sicher zu sein scheint und in der wir mit vielen Widersprüchlichkeiten umgehen müssen und kaum gewohnte und erprobte Problemlösungen in der Tasche haben. Gerade mit dem Ausbruch der Pandemie hat sich die zentrale Forderung, die wir mit dem Aufbau eines GMS verbunden haben, Gesundheit als Unternehmenswert und Betriebliches Gesundheitsmanagement als Unternehmensstrategie zu implementieren, auf dramatische Weise als wichtig und überlebenswichtig erwiesen. Im Betrieblichen Gesundheitsmanagement sind Maßnahmen verankert, die Orientierung bieten, wie Beschäftigte in bestimmten Situationen unterstützt werden können. Dabei geht es sowohl um die rein körperliche Ebene, was eine Ansteckung mit dem Virus und ihre direkten Folgen angeht, als auch um psychische Belastungen und Unsicherheiten, zum Beispiel hinsichtlich der Arbeit im Homeoffice. Da wir uns im Rahmen des GMS schon hinreichend mit dem Thema Psychische Gefährdungsanalysen beschäftigt hatten, konnten wir die relevanten Themen sehr schnell ausmachen.
Was genau sind die aktuell relevanten Themen?
Dr. Imsieke: Situationen, die wir zuvor meist nur theoretisch durchgespielt hatten, sind Realität geworden, zum Beispiel, dass Beschäftigte ihre Arbeitsleistung nicht in vollem Maße erbringen können, weil sie unterschiedlichen Störungen ausgesetzt sind. Teilweise können die Beteiligten nicht in der Intensität arbeiten wie gewohnt. Sie können nicht das tun, was sie an ihren gewohnten Arbeitsplätzen tun können. Andere sind mit der plötzlichen Heimarbeit überfordert. Sie machen nicht genügend Pause und rasen von einer Konferenz in die nächste. Auch dabei, diesbezüglich ein Bewusstsein zu schaffen, ist ein GMS sehr hilfreich.
Ihre Beschäftigten sind dank des GMS bereits für das Thema Gesundheit sensibilisiert. Wie waren die Reaktionen auf die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus?
Raming-Freesen: Während vorher Beschäftigte davon zu träumen schienen, im Homeoffice zu arbeiten und darin ihre ideale Arbeitsumgebung sahen, stellen viele jetzt fest, dass es tatsächlich nicht immer ganz so ein Segen sein muss. Der Kontakt zu den Kollegen fehlt, die Kinder hüpfen womöglich im Nebenraum herum, und Organisationsabsprachen müssen ganz anders getroffen werden. Gerade was Letzteres angeht, hat uns die Implementierung des GMS sehr geholfen. Angestoßen wurde das GMS bei uns durch das Audit „berufundfamilie“ der Hertie-Stiftung im Jahr 2005. Seitdem haben wir kontinuierlich daran weitergearbeitet, die Strukturen zu schaffen, die zunächst Eltern und dann Menschen, die Pflegebedürftige betreuen, benötigen, um gut arbeiten zu können. Das hilft uns jetzt enorm.
Sehen Sie das GMS damit auch als eine vertrauensbildende Maßnahme für die Beschäftigten in Krisen wie der derzeitigen?
Dr. Imsieke: Es wird gerade viel von der „neuen Normalität“ gesprochen, die es zu erreichen gilt. Wir können nicht so tun, als ob wir mit solchen Systemen wie denen vor der Entstehung der Corona-Pandemie einfach weitermachen können. Besondere Situationen brauchen besondere, kreative Lösungen. Die Situation, die wir im Moment erleben, ist nun mal sehr besonders. Je mehr Orientierung wir bieten können, desto besser. Über allem steht die Erkenntnis, wie wichtig es ist, Gesundheit des Einzelnen und der gesamten Unternehmung zu erhalten, wiederherzustellen und weiterzuentwickeln. Die praktischen Erfahrungen angesichts der aktuellen Entwicklungen sind eine wichtige Bestätigung unseres Vorgehens. Wer jetzt bei null anfangen muss und hinsichtlich Gesundheit und Arbeitsschutz bisher „Schmalspur gefahren ist“, der wird in einer solchen existenziellen Entwicklung ganz andere Anfangsschwierigkeiten haben.
Weitere Infos
- Details zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement und den Unterstützungsageboten der VBG sind im Flyer „GMS – Gesundheit mit System“ zu finden.
- Die neue Broschüre VBG-Fachwissen „Umgang mit Bedrohungen und Notfällen – Risiken kennen und angemessen handeln“ unterstützt Unternehmen bei der Analyse und Prävention von Gefahren
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