Ende September haben sich die Selbstverwaltungsgremien der VBG konstituiert. Die alternierenden Vorstandsvorsitzenden Gabriele Platscher und Volker Enkerts wurden wiedergewählt. Sie vertreten die Interessen der Unternehmerinnen und Unternehmer auf der einen und die der Versicherten auf der anderen Seite. Sie werden die nächsten sechs Jahre im Vorstand die strategischen Entscheidungen der VBG vorantreiben. Erst im Mai 2022 wählte die Vertreterversammlung eine neue Führungsspitze: Kay Schumacher ist seitdem Hauptgeschäftsführer der VBG, Nada Göltzer seine Stellvertreterin.
Herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl an Sie beide, Frau Platscher und Herr Enkerts. Würden Sie uns einen Einblick in Ihre grundsätzliche Arbeit als Vorstandsvorsitzende geben?
Volker Enkerts: In den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen wir die Belange unserer Mitgliedsunternehmen und der Versicherten, für die wir immer ein offenes Ohr haben. Ich weiß als Arbeitgebervertreter, was die Unternehmen bewegt und was sie sich wünschen. Die unterschiedlichen Themen und Sichtweisen bringen wir in unsere Gremienarbeit ein. Dort gilt es dann Kompromisse zu finden und gemeinsam tragfähige Entscheidungen zu treffen, zum Beispiel wenn es um die Höhe der Beiträge geht. Frau Platscher und ich leiten diesen Prozess.
Gabriele Platscher: Im Vorstand treffen wir strategische Entscheidungen, wie etwa wichtige Personalbesetzungen bis hin zur Vorauswahl der Hauptgeschäftsführung in der vergangenen Wahlperiode. Und ich finde, da wir haben einen ziemlich guten Job gemacht. Das hat die Vertreterversammlung durch die Berufung von Kay Schumacher und Nada Göltzer bestätigt.
Die Wahlperiode der Selbstverwaltung umfasst sechs Jahre. Welche Themen werden konkret bis 2029 auf der Agenda stehen?
Platscher: Im Fokus stehen natürlich unsere grundlegenden Aufgaben: der Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Unternehmen sowie die Rehabilitation nach einem erlittenen Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit. Eine besondere Bedeutung werden dabei Themen wie der demographische Wandel, die Personalgewinnung und -bindung und insbesondere die Digitalisierung haben. Für einige dieser Themen brauchen wir gemeinsame Antworten mit anderen Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung. So werden wir sicherlich unsere Kooperationen im Bereich der IT weiter ausbauen und gemeinsam nach Lösungen suchen, wie wir unsere berufsgenossenschaftlichen Kliniken zukunftsfähig und effizient aufstellen können.
Enkerts: Ich kann Ihnen sagen, was nicht auf der Agenda stehen soll: Und zwar eine Anhebung der Beitragssätze. Wir möchten den Beitrag, den die Mitgliedsunternehmen zahlen, möglichst stabil halten. Das ist eines unserer zentralen Anliegen.
Sie, Frau Platscher, vertreten die Versichertenseite, Sie, Herr Enkerts, die Arbeitgeberseite. Sind da Differenzen nicht vorprogrammiert?
Platscher: Die Selbstverwaltung lebt davon, dass die Mitgliedsunternehmen und die Versicherten ihre Interessen über die ehrenamtlichen Vertreterinnen und Vertreter in die Gremien einbringen. Durch die unterschiedlichen Blickwinkel kommt es natürlich auch mal zu verschiedenen Meinungen. Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verweisen gerne mal darauf, dass sie die Beiträge zahlen. Ich erwidere dann, dass wir Versicherten sie ja mit erwirtschaften. Aber im Ergebnis haben wir bisher immer gute Lösungen gefunden.
Wir alle wollen gute Lösungen finden.
Das dürfte das Beharren auf Maximalpositionen schwierig machen.
Enkerts: Ja – ein wichtiger Begriff in dem Kontext ist die Sozialpartnerschaft. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind, leben wir unsere Sozialpartnerschaft. Der Schlüssel zu guten Entscheidungen und tragfähigen Kompromissen liegt in einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und einer offenen Kommunikation. Ich selbst war lange Vorsitzender einer großen Tarifkommission und weiß: Wir müssen mit Kompromissen leben, anders geht es nicht.
Platscher: Das kann ich nur unterstützen: Wir alle wollen gute Lösungen finden und handeln nach dieser Maxime. Und bei unterschiedlichen Ausgangspositionen liegen diese in guten Kompromissen.
Wie überzeugen Sie Unternehmen davon, dass es eine gesetzliche Unfallversicherung braucht? Gerade diejenigen Unternehmen, die niedrige Unfallrisiken haben.
Enkerts: Viele Mitgliedsunternehmen denken, dass es für sie günstiger wäre, sich privat zu versichern. Aber das ist nicht so. Zu den großen Errungenschaften unseres Landes gehört die Haftungsablösung durch die gesetzliche Unfallversicherung für die Unternehmerinnen und Unternehmer. Sie sichert den betrieblichen Frieden. So müssen sie nach einem Versicherungsfall keine Schadensersatzansprüche fürchten. Zudem federt die Solidargemeinschaft in einer Berufsgenossenschaft besondere Belastungen ab. Branchen mit niedrigen Unfallrisiken zahlen auch niedrigere Beiträge. Sie profitieren aber genauso von den Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Um das zu verstehen, braucht es Transparenz.
Enkerts: Viele Mitgliedsunternehmen denken, dass es für sie günstiger wäre, sich privat zu versichern. Aber das ist nicht so. Zu den großen Errungenschaften unseres Landes gehört die Haftungsablösung durch die gesetzliche Unfallversicherung für die Unternehmerinnen und Unternehmer. Sie sichert den betrieblichen Frieden. So müssen sie nach einem Versicherungsfall keine Schadensersatzansprüche fürchten. Zudem federt die Solidargemeinschaft in einer Berufsgenossenschaft besondere Belastungen ab. Branchen mit niedrigen Unfallrisiken zahlen auch niedrigere Beiträge. Sie profitieren aber genauso von den Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Um das zu verstehen, braucht es Transparenz.
Platscher: Eine weitere Maßnahme ist, dass wir Preise, zum Beispiel den Präventionspreis „VBG_NEXT“ ausloben: Wir setzen damit Anreize für unsere Mitgliedsunternehmen und belohnen Projekte zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes und der Arbeitssicherheit. Und dadurch sinken langfristig auch die Beiträge. Ich finde, wir müssen den Mehrwert hier noch deutlicher machen. Und die VBG mehr in den Köpfen verankern. Wie Volker Enkerts sagt: Transparenz ist der Schlüssel dafür.
Transparenz ist ein vielfach genutzter Begriff. Was heißt das konkret?
Platscher: Ein Beispiel sind Wegeunfälle. Von der Arbeit zur Kita, auf dem Fahrrad oder im Auto: Viele Menschen wissen nicht, dass sie auf dem Arbeitsweg auch über die Berufsgenossenschaften versichert sind. Aber auch konkrete Angebote der VBG müssen sichtbarer gemacht werden. Stichwort Prävention. Unsere Angebote können Unfälle verhindern. Das müssen die Menschen auch wissen.
Herr Schumacher, als Hauptgeschäftsführer leiten Sie hauptamtlich die laufenden Verwaltungsgeschäfte der VBG. Welche Aufgaben haben Sie?
Kay Schumacher: Wir beide, Nada Göltzer und ich, verantworten das laufende Geschäft. Prävention und – wenn das mal nicht geklappt hat – Rehabilitation. Immerhin 460.000-mal im Jahr helfen wir dabei, Menschen wieder in das berufliche und gesellschaftliche Leben einzugliedern. So oft kommt es zu Unfällen und Erkrankungen, die Reha-Maßnahmen bedürfen. Wussten Sie außerdem, dass die Berufsgenossenschaften den viertgrößten Klinikkonzern in Deutschland unterhalten? Dazu gehören die neun BG Kliniken, in denen wir uns um die optimale Versorgung unserer Versicherten kümmern.
Wie arbeiten Sie mit der Selbstverwaltung zusammen?
Schumacher: Die Selbstverwaltung trifft die großen strategischen Entscheidungen, Nada Göltzer und ich kümmern uns – mit allen Beschäftigten – im Tagesgeschäft um die operative Umsetzung. Ein Beispiel ist die Aufstellung unserer IT. Letztes Jahr haben wir gemeinsam mit der BG Holz und Metall (BGHM) die IT-Kooperation NOVA gestartet. Sie ermöglicht es uns, unsere IT-Ressourcen gemeinsam zu nutzen. Ziel ist es, den Mitgliedsunternehmen und Versicherten einen verbesserten Zugang zu digitalen Kommunikationsinfrastrukturen zu bieten und gleichzeitig Verwaltungskosten zu senken. Beschlossen wurde das Projekt von der Selbstverwaltung – wir setzen es um. Außerdem verwalten wir das Geld der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, treuhänderisch.
Im Januar 2023 haben Sie die operative VBG-Strategie 2026 gestartet. Was sind die zentralen Eckpfeiler der VBG-Strategie 2026?
Nada Göltzer: Wir haben drei Hauptblöcke in den Fokus genommen, um die VBG-Kultur weiterzuentwickeln: Der erste ist gleichzeitig auch unser zentrales Anliegen: Unser Handeln fokussieren. Wir müssen bei allen unseren Aktivitäten in den Vordergrund stellen, wofür wir als Berufsgenossenschaft da sind. Zudem möchten wir die Außenwirkung stärken, also uns öfter mal die Fragen stellen: Wie wirken wir nach außen und wie können wir unsere Mitgliedsunternehmen und Versicherten noch besser unterstützen? Und wir möchten den Umgang miteinander weiterentwickeln, denn nur wenn wir ein gutes Miteinander haben, können wir Unternehmen und Versicherte auch gut betreuen.
Worauf kommt es dabei an?
Schumacher: Unsere Welt verändert sich gerade noch schneller als sonst. Und diesen Wandel wollen wir mitgestalten. Wichtig ist uns dabei ein Perspektivenwechsel: Was erwarten unsere Mitgliedsunternehmen und Versicherten von uns? Und wie können wir das mit unseren Kolleginnen und Kollegen gut umsetzen?
Göltzer: Was wir immer wieder in den Vordergrund rücken müssen, sind unsere Leistungen. Wir wollen gute Leistungen für Unternehmen und Versicherte gewährleisten.
Worauf kommt es dabei an?
Schumacher: Unsere Welt verändert sich gerade noch schneller als sonst. Und diesen Wandel wollen wir mitgestalten. Wichtig ist uns dabei ein Perspektivenwechsel: Was erwarten unsere Mitgliedsunternehmen und Versicherten von uns? Und wie können wir das mit unseren Kolleginnen und Kollegen gut umsetzen?
Göltzer: Was wir immer wieder in den Vordergrund rücken müssen, sind unsere Leistungen. Wir wollen gute Leistungen für Unternehmen und Versicherte gewährleisten.
Wie wollen Sie die VBG als moderne Unfallversicherung weiterentwickeln? Wie kann sich das Angebot der VBG für Unternehmen noch verbessern?
Schumacher: Im Zuge der neuen Strategie prüfen wir beispielsweise, wo wir Automatisierung einsetzen können. Und wo wir zukünftig auch künstliche Intelligenz (KI) einsetzen können, um unsere Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen. Im öffentlichen Dienst dauert das manchmal etwas länger, aber Zaudern können wir uns nicht leisten – die Welt entwickelt sich schnell weiter.
Göltzer: Wir schaffen es bisher nicht, eine 24/7-Betreuung bereitzustellen, um unser Angebot zu verbessern. Mit KI-Unterstützung ist das zukünftig denkbar. Solche Veränderungen müssen wir heute schon anstoßen.
Wir möchten den Unternehmen Hilfestellungen an die Hand geben.
Welche Herausforderungen gibt es derzeit bei den angesprochenen Digitalisierungsprojekten?
Göltzer: Das Problem ist: Das machen gerade wirklich alle. Wir brauchen Menschen, die das können – und richtig Spaß an der Sache haben. Und die auch bei uns arbeiten wollen. Bei uns ist natürlich immer auch der Datenschutz ein großes Thema. Wir arbeiten mit Sozialdaten. Umso wichtiger ist es, dass wir gute Fachleute haben, die wissen, wie man damit umgeht.
Für viele Menschen in Ihren Mitgliedsunternehmen ist mobiles Arbeiten zu einem wichtigen Thema geworden. Was denken Sie, wie sich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in diesem Bereich in den nächsten Jahren verändern werden?
Schumacher: Zum einen geht es um die Eigenverantwortung der Versicherten. Denn wenn Menschen mit einem Küchenhocker am Tisch sitzen oder mit einem Laptop auf dem Bett liegen, ist das langfristig gesundheitsgefährdend. Nicht, dass ich das nicht auch schon mal gemacht hätte. Aber es ist kein Dauerarbeitsplatz. Deswegen werden wir Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz auch in diesem Bereich stärker in den Blick nehmen müssen. Wir möchten den Unternehmen Hilfestellungen an die Hand geben, wie mobile Arbeit gut gestaltet werden kann. Hier gibt es schon viele Unterstützungsangebote von der VBG, die wir aber auch weiter ausbauen möchten.
Welche Themen und Projekte möchten Sie zukünftig vorantreiben?
Schumacher: Wir sind gerade dabei, unsere IT neu aufzusetzen – ich erwähnte NOVA ja bereits. Die Politik hat immer gefordert, dass die Berufsgenossenschaften gemeinsam in einem System zusammenarbeiten – um Ressourcen zu sparen und Mehrwert für alle zu schaffen. Unsere Zusammenarbeit mit der BGHM ist ein Schritt in diese Richtung. Zukünftig werden die BGHM und wir eine gemeinsame IT haben.
Göltzer: Unsere IT-Abteilung wird in der nächsten Zeit mit dieser Umstellung beschäftigt sein. Und trotzdem müssen wir es schaffen, auch weitere Themen im Blick zu behalten, wie etwa den stringenten Fokus auf die Kundenperspektive und die Weiterentwicklung unserer Kliniken. Uns ist wichtig Schritt für Schritt vorzugehen, zu priorisieren und die angefangenen Projekte zu Ende zu bringen.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Mehr zu den Sozialwahlen und der VBG-Selbstverwaltung lesen Sie hier.
Kurz erklärt
Die VBG-Selbstverwaltung
Die VBG ist eine demokratisch aufgebaute Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Das heißt, ehrenamtliche Vertreterinnen und Vertreter der Unternehmen und der Versicherten werden alle sechs Jahre in den Sozialwahlen gewählt. Sie lenken die Geschicke der Berufsgenossenschaft. Dieser demokratische Ansatz soll für maximale Transparenz und Akzeptanz sorgen.
Der Vorstand der VBG
Der Vorstand der VBG ist so etwas wie das Steuerungszentrum der Berufsgenossenschaft. Dieses 16-köpfige Gremium vertritt die Interessen der VBG und kümmert sich um vielfältige Aufgaben, von der Verwaltung bis zur Entscheidung über die Umlage. Der Vorstand setzt sich aus je acht Vertreterinnen und Vertretern der Unternehmerinnen und Unternehmer sowie der Versicherten zusammen, die in Sozialwahlen gewählt werden. An der Spitze des Vorstands stehen die Vorstandsvorsitzenden, die die Leitung und Koordination der Aufgaben übernehmen.
Hauptgeschäftsführung in der VBG
Die Hauptgeschäftsführung in Hamburg steuert die laufenden Geschäfte der VBG, die nach Fachbereichen gegliedert sind. Sie ist verantwortlich für Unfallverhütung und schnelle Hilfe im Schadensfall. Die Hauptgeschäftsführung koordiniert die verschiedenen Fachbereiche und sorgt für einen effizienten Ablauf der Verwaltungsaufgaben.
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