Seit gut zwei Jahrzehnten wandelt sich Führung in Unternehmen. Ursachen sind vor allem die Globalisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt, die diese Veränderungen in den vergangenen Jahren stark beschleunigt haben. Das Resultat sind flexible, jedoch teilweise sehr komplexe Arbeitsabläufe sowie ein Wandel von der direkten zur indirekten Steuerung.
Diese konzentriert sich vor allem auf das Erreichen von gesetzten Zielen und Kennzahlen. Hierfür übertragen Führungskräfte stärker als bisher Verantwortung auf ihre Beschäftigten. Kernmerkmale indirekter Steuerung sind:
- Vorgesetzte führen über Ziele
- Vorgesetzte übertragen die Verantwortung für die Zielerreichung auf Beschäftigte aller Hierarchieebenen. Zugleich räumen sie den Beschäftigten Freiheiten ein, auf welchem Weg sie ihre Ziele erreichen (z.B. Einteilung von Arbeitspaketen)
- Ziele sind Indikatoren für unternehmerischen Erfolg
- Beschäftigte erhalten systematische Rückmeldungen zum Zielerreichungsgrad
- Vorgesetzte betreiben Benchmarking anhand von Kennzahlen
Ziele als wichtige Stellschraube
Die VBG hat zu diesem Thema ein Team der Fachhochschule Nordwestschweiz mit einer Studie beauftragt. Die Leitung hatte Prof. Dr. Andreas Krause, Professor und Dozent für Angewandte Psychologie, Studiengangsleiter CAS Betriebliches Gesundheitsmanagement. Dr. Susanne Roscher, Projektleiterin von „Mitdenken 4.0“ und leitende Arbeitspsychologin der VBG, fasst das Ergebnis zusammen: „Gute indirekte Steuerung mit Führung über Ziele bietet viele Chancen und erhöht die Zufriedenheit der Beschäftigten durch eine hohe Autonomie in der eigenen Arbeit. In unserer Beratung erleben wir immer wieder, dass Führung über Ziele auch unerwünschte Nebenwirkungen haben kann. Wenn diese zu starr gesetzt werden und Kennzahlensysteme zu wenige Handlungsspielräume bieten, sinken Produktivität, Arbeitsqualität und Motivation.“
Das Bemühen, die gesetzten Ziele zu erreichen, geht oftmals auch mit einer Gefährdung der eigenen Gesundheit bei den Beschäftigten einher. Folgende Verhaltensweisen sind typisch für dieses Phänomen:
- Ausdehnen der Arbeitszeit
- Intensivieren der Arbeit
- Präsentismus im Krankheitsfall
- Vortäuschen von beruflichem Erfolg
- Senken der fachlichen Qualität zugunsten des ökonomischen Erfolgs
- Umgehen von Schutz- und Sicherheitsstandards
- Vermehrter Substanzkonsum zur Leistungssteigerung oder Erholung
Frühwarnsysteme nutzen, um Gefährdungen zu vermeiden
Damit sich derartiges Verhalten nicht verfestigt, gilt es, vorhandene Frühwarnsysteme (etwa Gefährdungsbeurteilungen) zu nutzen und die bekannten Merkmale so zu gestalten, dass sie die Gesundheit nicht beeinträchtigen. Ein sehr vielversprechender Ansatzpunkt – neben mehreren anderen – ist die Gestaltung der Ziele. Diese beeinflussen das Verhalten der Führungskräfte und Beschäftigten maßgeblich und sind somit eine wichtige Stellschraube, um indirekte Steuerung gesundheitsförderlich zu gestalten.
Die VBG hat zu diesem Thema das Factsheet „Gesund erfolgsorientiert arbeiten“ sowie die Handlungshilfe „Führen durch Ziele“ ausgearbeitet. Letztgenannte erklärt Interessierten in drei Schritten die Chancen und Risiken indirekter Steuerung. Diese Schritte sind in die folgenden Kapitel gegliedert:
- erkennen
- verstehen und
- gestalten.
Mit Hilfe zweier Quick-Checks können Leserinnen und Leser feststellen, ob in ihrem Unternehmen indirekt gesteuert wird und wie diese indirekte Steuerung gestaltet ist. Ein Modell erklärt den Zusammenhang und die Auswirkungen auf das Verhalten von Beschäftigten, wodurch Mechanismen indirekter Steuerung besser nachvollzogen werden können. Zwei konkrete Handlungsfelder liefern zudem viele nützliche Tipps für die Gestaltung von Arbeitsprozessen und das Setzen von Zielen.
Hinweis: Die Theorie der indirekten Steuerung hat Dr. Klaus Peters (Cogito-Institut) entwickelt. Von ihm stammt ebenfalls der Begriff „interessierte Selbstgefährdung“. Prof. Dr. Andreas Krause und sein Team „Arbeit und Gesundheit“ der Fachhochschule Nordwestschweiz haben die Grundgedanken von Dr. Klaus Peters aufgegriffen und sie zum Ausgangspunkt ihrer arbeits- und organisationspsychologischen Forschung gemacht. Ihre Forschungsarbeiten bilden die Grundlage der VBG-Publikation Führen durch Ziele. Die hier vorliegenden Empfehlungen für die Praxis haben Prof. Dr. Andreas Krause, Cosima Dorsemagen und Dr. Martial Berset erarbeitet.