Frau Zimmermann, Sie beraten kleine Unternehmen beim Thema Arbeitsschutz. Wie überzeugen Sie sie, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen?
Indem ich ihnen die Vorteile vor Augen führe: Mit der Gefährdungsbeurteilung erhalten Sie als Unternehmerin oder Unternehmer eine Übersicht zur vorhandenen Arbeitsschutzsituation in Ihrem Betrieb – mit existierenden Problemen, aber auch mit bereits guten Lösungen. So erfahren Sie, wo Ihr Unternehmen beim Thema Arbeitsschutz steht, und können künftig Fehler und auch Unfälle vermeiden. Außerdem ist die Gefährdungsbeurteilung ideal, um wirklich alle potenziellen Risiken zu berücksichtigen und am Ende rechtssicher dokumentieren zu können, dass Sie sich umfassend mit den Arbeitsbedingungen beschäftigt und geeignete Maßnahmen abgeleitet haben. Damit alle Beschäftigten gesund und sicher arbeiten können. Was ja in kleinen Betrieben mit bis zu zehn Beschäftigten besonders wichtig ist.
Warum ist das so?
Das ergibt sich einfach aus der Unternehmensstruktur, die viel fragiler ist als bei großen Betrieben: Wenn Sie nur drei Mitarbeitende haben und von denen eine oder einer ausfällt, dann kann es schon mal schwierig werden, einen Auftrag abzuwickeln. Das können Sie als Chefin oder Chef vielleicht eine gewisse Zeit auffangen. Aber irgendwann kann so eine Situation ein Unternehmen unter Umständen so schädigen, dass seine Existenz bedroht ist. Um diese Situation zu vermeiden, sollten Sie eine Gefährdungsbeurteilung durchführen. Sie zeigt Ihnen, welche Störungen eintreten können und was Sie dann tun – oder wie Sie diese im besten Fall vermeiden.
Können Sie ein Beispiel aus der Praxis nennen?
Eine Mitarbeiterin kündigt, weil die neuen Kindergartenöffnungszeiten nicht mehr zu ihren Arbeitszeiten passen. Dann könnten Sie als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber gemeinsam mit ihr überlegen, ob Telearbeit eine Möglichkeit wäre, das Problem zu lösen. Möglicherweise wird sie dann ihre Kündigung zurückziehen. Im besten Fall haben Sie sich im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung schon vorher Gedanken über Telearbeit gemacht. Dann wäre es vielleicht gar nicht erst zur Kündigung gekommen. Das sind so Fälle, die Sie als Unternehmerin oder Unternehmer mit den Checklisten der VBG ausloten können. Sie helfen dabei, einen neutralen Blick auf das Thema Arbeitsschutz zu werfen. Damit Bereiche in den Fokus rücken, an die Sie vielleicht noch nicht gedacht haben. Natürlich müssen Sie dabei kein Arbeitsschutz-Profi sein: Das sind wir bei der VBG. Wir beraten gern. Und ermöglichen es, mit unseren Handlungshilfen schnell, smart und branchengerecht Risiken zu erkennen und auszuschalten.
Risiken nicht nach Bauchgefühl bewerten, sondern auf strukturierte Weise.
Welche Angebote zur Gefährdungsbeurteilung empfehlen Sie kleinen Unternehmen?
Den PRAXIS-CHECK: Er führt Unternehmerinnen und Unternehmer einfach und übersichtlich durch die branchenspezifische Gefährdungsbeurteilung. Der Check gehört auch zur All-in-one-Lösung der VBG: der Kompetenzzentren-Betreuung (KPZ-Betreuung) mit dem KPZ-Portal. Dort erhalten Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten das Rundum-sorglos-Paket aus Selbstlernmodulen zum betrieblichen Arbeitsschutz, Gefährdungsbeurteilung und kostenfreier telefonischer KPZ-Hotline. Über die erreichen Betriebe Fachkräfte für Arbeitssicherheit sowie Betriebsärztinnen und -ärzte, die sie beraten. Wer also die KPZ-Betreuung kennt und nutzt, muss keine eigene Akquise machen, um eine Sicherheitsfachkraft und eine Betriebsärztin beziehungsweise einen Betriebsarzt zu finden. Weil sie oder er individuell zugeschnittene Hilfen von der VBG bekommt. Damit Risiken nicht nach Bauchgefühl bewertet werden, sondern auf strukturierte und damit nachhaltige Weise. Im Idealfall von Anfang an.
Also sollten auch Start-ups möglichst schnell das Thema Arbeitsschutz angehen?
Ja, auch für Gründerinnen und Gründer mit Beschäftigten eignet sich die KPZ-Betreuung. Mit ihrer Unterstützung finden sie heraus, wie es gelingt, robuste und stabile Prozesse und Abläufe von Beginn an zu gestalten. Dazu gehört zum Beispiel, Räume auch nach Arbeitsschutzkriterien auszuwählen. Oder an Sicherheitseinrichtungen wie Sicherheitsbeleuchtung, Feuerlöscheinrichtungen oder Fluchtwegskennzeichnung zu denken – und diese regelmäßig zu warten und zu prüfen. Auch bei den Arbeitsplätzen können Sie einiges falsch machen. Hat der Arbeitstisch eine ergonomisch angepasste Arbeitshöhe und bietet freien Beinraum? Ist der Bildschirm so eingestellt, dass Beschäftigte entspannt mit lockeren Schultern arbeiten können? Alles Tipps, die Sie im STARTUP-CHECK finden. Und die natürlich nicht nur Start-ups berücksichtigen sollten.
Was sind denn aus Ihrer Erfahrung die Gründe, warum viele Kleinunternehmen Arbeitsschutz wenig im Blick haben?
Sie fragen sich: Wie soll ich das Thema überhaupt angehen? Und wenn ich was ändern muss, ist das nicht zu teuer? Zum Beispiel: Ich kann nicht allen Beschäftigten sofort höhenverstellbare Tische zur Verfügung stellen. Das kostet zu viel! Außerdem ist die Prüfung der Betriebsmittel nicht billig und dazu zeitintensiv in der Organisation. Außerdem gibt es andere Probleme, die im täglichen Geschäft wichtiger sind – etwa am Markt bestehen zu können. Bei diesen Einwänden sage ich immer: In Arbeitsschutz zu investieren, lohnt sich am Ende. Weil Sie nicht nur betriebliche Störungen und Unfälle, sondern auch damit einhergehende personelle Ausfälle vermeiden. Und weil sichere und gesunde Arbeitsplätze auch zu einer besseren Arbeitszufriedenheit führen, die Identifikation mit dem Unternehmen verbessern und damit Fluktuation verringern.
Wer Arbeitsschutz von Anfang an mitdenkt, hat auf Dauer weniger Arbeit damit.
Was raten Sie Unternehmen, die eine Gefährdungsbeurteilung vor sich haben?
Haben Sie keine Angst vor dem Beginnen! Sie müssen nicht alles gleich erledigen. Die Devise sollte sein: Auf dem KPZ-Portal anmelden – und einfach machen. Denn Sie kennen Ihr Unternehmen am besten. Wichtig dabei: Beziehen Sie Ihre Beschäftigten mit ein. Sprechen Sie mit Ihnen, tauschen Sie sich aus: Wo knirscht es? Ermitteln Sie mithilfe der Gefährdungsbeurteilung, ob Ihre Mitarbeitenden vielleicht ständig unter Zeitdruck arbeiten müssen – und wie sich das ändern lässt. All diese Dinge spielen eine Rolle bei der Arbeitszufriedenheit. Es geht also um mehr als um physische Belastungen, die beispielsweise durch einen nicht ergonomischen Arbeitsplatz entstehen. Wer Arbeitsschutz außerdem von Anfang an mitdenkt, hat auf Dauer weniger Arbeit damit.
Was heißt das konkret?
Bei allen Vorgängen, etwa bei der Anschaffung von Betriebsmitteln oder der Unterweisung von neuen Mitarbeitenden, sollte immer das Thema Arbeitsschutz eine Rolle spielen. Auch wenn Sie neue Arbeitsaufträge annehmen, ist es ratsam, sich vorher Gedanken darüber zu machen, ob Sie diese überhaupt unter dem Aspekt der Gewährleistung des Arbeitsschutzes bedienen können und eben wollen. Und bevor Sie Ihre Beschäftigten zum Einsatz schicken, ist es wichtig zu wissen: Was brauchen sie, damit alles sicher, reibungslos abläuft und Stress vermieden wird? Auch hier liefert die Gefährdungsbeurteilung Antworten.
Was würden Sie sich von kleinen Unternehmen wünschen, wenn es um die Themen Gefährdungsbeurteilung und Arbeitsschutz geht?
Ich würde mir wünschen, dass die Gefährdungsbeurteilung und das Thema Arbeitsschutz mehr als Mehrwert wahrgenommen werden – und weniger als gesetzliche Verpflichtung. Schließlich möchte doch jedes Unternehmen gesunde, zufriedene und damit auch leistungsfähige Mitarbeitende. Mit den richtigen Hilfen können Sie als Unternehmerin oder Unternehmer den Arbeitsschutz selbstständig in die Hand nehmen und in Ihren betrieblichen Alltag integrieren. Haben Sie dabei keine Scheu vor der Nähe zur VBG: Wir freuen uns darauf, Sie als Partnerin für gesundes und sicheres Arbeiten zu unterstützen.
Mehr über das Thema Arbeitsschutz in kleinen Unternehmen erfahren Sie auf der Webseite der VBG. Bei weiteren Fragen unterstützen die Präventionsabteilungen der zuständigen Bezirksverwaltung.
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