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Foto: Adobe Stock / goodluz

Best Practice GefährdungsbeurteilungGesundheitsschutz für die Führungskräfte von morgen

Das FZI Forschungszentrum Informatik bindet seine Beschäftigten intensiv in die Gefährdungsbeurteilung ein. Das Ziel: Bewusstsein für den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz schaffen.

Wie sensibilisiert man junge Menschen für die Bedeutung der eigenen Gesundheit im Arbeitskontext? Eine Herausforderung, vor der das FZI Forschungszentrum Informatik seit langem steht. Hierher kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, um Forschung für ihre Promotion zu betreiben. Viele von ihnen nehmen nach ihrer Zeit am FZI direkt Führungsrollen in Forschung und Wirtschaft ein. Sie darauf auch in Sachen Gesundheitsschutz vorzubereiten, ist ein Anliegen des FZI: „Uns ist es wichtig, bei den Führungskräften von morgen ein Bewusstsein für gesundes Arbeiten und Führen zu schaffen“, sagt Lena Hörrle, beim FZI zuständig für das betriebliche Gesundheitsmanagement. Ein Ziel, das durch die strukturellen Bedingungen am Forschungszentrum eine besondere Herausforderung ist: „Die Zeit, in der ein Bewusstsein für Gesundheitsmanagement aufgebaut werden kann, ist begrenzt“, so Hörrle. 

Um diese Zeit möglichst effizient zu nutzen, entwickelte Hörrle mit ihrem Team einen neuen Ansatz: ein intensives, regelmäßiges Einbinden der Beschäftigten in die Gefährdungsbeurteilung und die digitale Gesundheitsförderung. Seit 2019 findet am FZI eine Professionalisierung des Gesundheits- und Arbeitsschutzes statt, „um nicht nur das Pflichtprogramm zu erfüllen, sondern noch etwas draufzulegen“, wie Hörrle es ausdrückt. Da physische Arbeitsunfälle am FZI kaum eine Rolle spielen, kommt der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen dabei eine besondere Rolle zu. Für den dazu entwickelten innovativen Ansatz wurde das FZI mit dem VBG-Präventionspreis 2022 ausgezeichnet. 

Immer am Puls der Mitarbeitenden

Kreativität und Innovation waren vom FZI-Team gleich zu Beginn der Arbeit gefordert: Am Markt verfügbare Fragebögen – zentrale Instrumente zur Beurteilung psychischer Belastungen – bilden die Anforderungen von Forschungseinrichtungen nur bedingt ab. Das FZI stand vor der Herausforderung, einen möglichst standardisierten Prozess zu entwickeln, der gleichzeitig die Besonderheiten des Forschungszentrums berücksichtigt. „Wir haben uns schließlich für ein dreiteiliges Vorgehen entschieden, das all unsere Anforderungen – Vergleichbarkeit, Praxisnähe und Aktualität – berücksichtigt“, erklärt Hörrle.

Mit einem externen Arbeitspsychologen konzipierte das FZI einen standardisierten Online-Fragebogen, um psychische Belastungsfaktoren zu identifizieren und daraus Präventionsmaßnahmen generieren zu können. Diese Befragung wird alle zwei Jahre durchgeführt und wechselt sich mit einer zweiten Umfrage mit FZI-spezifischen, praxisnahen Fragestellungen ab. „Neben einem empirischen Fragebogen, der extern ausgewertet wird, bieten wir den Beschäftigten so die Möglichkeit, ihre aktuelle, ganz konkrete Arbeitssituation zu bewerten und sich aktiv an der operativen Weiterentwicklung des Forschungszentrums zu beteiligen“, so Hörrle. Um kurzfristige Stimmungsbilder einholen zu können, wurde zudem eine dritte, schnell und unkompliziert durchzuführende Art der Umfrage entwickelt.

Wichtig waren dem FZI dabei transparentes Vorgehen und umfassende Kommunikation. Die Mitarbeitenden wurden im Vorfeld auf verschiedenen internen Kanälen über das Vorhaben informiert. Mit Erfolg: Die 2019 erstmals durchgeführte standardisierte Online-Befragung hatte eine Rücklaufquote von fast zwei Dritteln. Der Arbeitspsychologe des FZI stellte die Ergebnisse anschließend im Führungskreis vor und erarbeitete mit jedem Bereichsleiter und jeder Bereichsleiterin individuelle Maßnahmen. Die Ergebnisse der Befragung wurden zudem allen Mitarbeitenden im Intranet zur Verfügung gestellt. Die ergänzende FZI-spezifische Befragung fand wie geplant erstmals im Folgejahr statt. Mit ihr war es dem FZI unter anderem möglich, das Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Projektarbeit im Rahmen der FZI-Anstellung und der Promotion der Mitarbeitenden, die eine ergänzende Tätigkeit außerhalb des Arbeitsverhältnisses darstellt, zu adressieren.

Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen:

Unternehmen sind dazu verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, zu der auch die Beurteilung von psychischen Belastungen gehört. Die VBG hat ihr Hilfsangebot dazu um einen neuen Fragebogen erweitert, der Mitgliedsunternehmen als Online-Tool zur Verfügung steht. Weitere Informationen erhalten Sie auf der VBG-Themenseite Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung.  

Etappenziel erreicht: Die Awareness ist da

Mit diesem Verfahren konnte das FZI ein wesentliches Ziel schon nach der erstmaligen Durchführung beider Befragungen erreichen: „Wir haben ganz klar eine Awareness für das Thema Gesundheitsschutz in der Belegschaft geschaffen“, so Hörrle. Darüber hinaus konnten konkrete Problemfelder identifiziert und so Maßnahmen entwickelt werden, um diese Probleme zu beheben. Ein Beispiel dafür ist das Spannungsfeld aus Arbeit und Promotion, das in der Befragung bestätigt werden konnte: Bereits promovierte Mitarbeitende des FZI haben als kurzfristige Maßnahme Best Practices erarbeitet, die Promovierenden als Hilfestellung dienen können. Auch die Ad-hoc-Umfragen haben sich bereits als nützlich erwiesen – vor allem im Rahmen der Corona-Pandemie: „Mit ihnen konnten schnell Probleme, die aufgrund der Arbeit von zu Hause entstanden sind, evaluiert und technische und organisatorische Maßnahmen entwickelt werden“, so Hörrle.

Mittlerweile wurde die standardisierte Befragung zum zweiten Mal durchgeführt und ausgewertet. Mit aufschlussreichen Erkenntnissen: Konnten gegenüber der ersten Erhebung in einigen Bereichen Verbesserungen beobachtet werden, die auf getroffene Maßnahmen zurückzuführen sind, verschlechterten sich die Ergebnisse in anderen – zum Beispiel die soziale Interaktion während der mobilen Arbeit zu Corona-Zeiten. Für Hörrle ein Beleg für die Wirksamkeit des Vorgehens: „Die zweite Befragung hat uns hier bestätigt, was wir nach der ersten bereits ahnten: Wir haben jetzt nicht nur eine subjektive Wahrnehmung, sondern belastbare Zahlen für eine Entwicklung und können Maßnahmen ergreifen.“ Eine Erkenntnis, die ohne ein derart engmaschiges Vorgehen nicht möglich gewesen wäre.

Aktuell befindet sich die zweite FZI-spezifische Befragung in der Auswertung. Deren Ergebnisse erwartet Hörrle gespannt. Von dem vom FZI entwickelten Modell ist sie aber schon jetzt überzeugt, ebenso wie davon, dass es nicht nur für Forschungseinrichtungen geeignet ist, sondern auf jede Branche und jede Unternehmensgröße übertragbar ist. Und auch davon, dass sich der Aufwand lohnt: „Wir können kontinuierlich Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken identifizieren und so unsere wertvollste Ressource schützen und fördern: die Mitarbeitenden.“ Und welches Unternehmen möchte das nicht?

VBG_NEXT:

Mit dem Präventionspreis „VBG_NEXT“ zeichnet die VBG alle zwei Jahre Unternehmen für innovative Ideen aus der betrieblichen Prävention aus. Der Preis ist mit bis zu 15.000 Euro dotiert. Einreichungen für den VBG-Präventionspreis 2026 sind bis zum 31.10.2025 unter www.vbgnext.de möglich.

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