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Foto: SCHOTT AG / Oana Szekely

Best Practice für BEMWie die SCHOTT AG ihren Mitarbeiter nach einem Unfall zurück ins Spiel brachte

Unternehmen sind dazu verpflichtet, länger erkrankte Beschäftigte bei der Rückkehr ins Arbeitsleben zu unterstützen. Davon profitieren alle.

Ein Beispiel, in dem aus der Pflicht eine Kür gemacht wurde, ist die Geschichte der SCHOTT AG, einem der weltweit führenden Spezialglas- und Materialtechnologieunternehmen. Die SCHOTT AG hatte ihrem Mitarbeiter Nenad Simic nach einem schweren Arbeitsunfall eine zweite Karriere ermöglicht. Ein entscheidender Baustein hierbei war das Betriebliche Eingliederungsmanagement – kurz BEM. Das Unternehmen wurde in Anerkennung seines herausragenden, kreativen Engagements bei der innerbetrieblichen Umsetzung, um ihren Mitarbeiter zu halten, mit dem Teilhabepreis 2023 der VBG ausgezeichnet.

Nenad Simic ist seit dem 1. Mai 2012 bei der SCHOTT AG in der Produktion von Ceran-Kochflächen tätig. Neun Jahre später, im Juli 2021, passierte es: ein Unfall, der sofort in Frage stellte, ob in der Produktion übliche körperliche Tätigkeiten weiterhin möglich sind. Nenad Simics Handschuh geriet in ein anlaufendes Rollenband und die Hand wurde gequetscht. Die Verletzungen der Finger waren so schwerwiegend, dass die Greiffunktion der Hand dauerhaft eingeschränkt blieb. Trotz eines langwierigen Therapie- und Heilungsprozesses kann Nenad Simic seine ursprüngliche Arbeit heute nicht mehr ausüben. Die Verletzung veränderte sein Leben nachhaltig.

„Es wird nie so sein wie früher, aber ich will einfach nach vorne schauen“, erklärt Nenad Simic. „Es gibt Schlimmeres, das mir hätte passieren können. Wenn ich es damit vergleiche, dass ich mein Leben hätte verlieren können, ist alles nicht so dramatisch. Was mir hilft, mit der Situation klarzukommen, sind meine Arbeitskollegen bei SCHOTT, die mich immer unterstützt haben.“ 

Alle Beteiligten suchten zusammen nach der besten Lösung

Angesichts der besonderen Herausforderung, die Nenad Simics schwere Verletzung für dessen Weiterbeschäftigung bedeutete, war sowohl den Verantwortlichen bei der SCHOTT AG als auch bei der VBG schnell klar, dies ist ein Fall für das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM). Grund dafür war die Schwere des Unfalls, durch die sich abzeichnete, dass Nenad Simics mehrere Wochen arbeitsunfähig sein würde. In einem solchen Fall ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein Betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten. Die SCHOTT AG machte Nenad Simic ein entsprechendes Angebot. Mit seiner Zustimmung tauschte er sich in den Wochen nach dem Unfall wiederholt mit der Reha-Managerin der VBG sowie Mitarbeitenden seines Arbeitgebers aus der Personalabteilung, dem werksärztlichen Dienst und seinen Vorgesetzten aus. Die erste Aufgabe im BEM-Verfahren war es dabei, festzustellen, mit welchen Einschränkungen in seinem Arbeitsalltag in Zukunft umzugehen ist. Gemeinsam überlegten alle Beteiligten in vielen Gesprächen, wie Nenad Simic auch weiterhin eine für ihn passende Rolle im Unternehmen ausüben könnte. Dabei war das Ziel klar: das Beste für Nenad Simic und seine berufliche Zukunft erreichen.

Nenad Simic Arbeitsplatz sollte in jedem Fall erhalten bleiben
 

„Der maßgebliche Erfolgsfaktor in einem nachhaltigen Wiedereingliederungsprozess ist die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten“, sagt Astrid Kaspar, Reha-Managerin bei der VBG. Für sie habe sich die SCHOTT AG hier vorbildlich verhalten und als Arbeitgeber immer für das Wohl des Einzelnen und des Teams eingestanden.

Nenad Simic im Gespräch mit einer Kollegin. Nach seinem Unfall in der Produktion ist er heute Ausbilder bei der SCHOTT AG.

Foto: SCHOTT AG / Oana Szekely

Mit Erfolg: Der ganze Prozess, vom Zeitpunkt des Unfalls bis zur Wiedereingliederung, dauerte etwa zwölf Monate. Mitte 2022 war es so weit: Nenad Simic konnte seine neue Tätigkeit bei der SCHOTT AG aufnehmen.

„SCHOTT ist ein Arbeitgeber, der für seine Beschäftigten einsteht“, sagt Nenad Simic. „Es ist ein soziales Unternehmen. SCHOTT hat für jeden das Ziel vor Augen, dass man sich weiterentwickelt und vorankommt. Ich habe mich von Anfang an wohlgefühlt und die Kommunikation war immer top.“

Die SCHOTT AG zeigte sowohl Engagement als auch Kreativität

Nenad Simic ist in seiner Freizeit Fußballtrainer. Damit verbunden ist seine Fähigkeit zur Vermittlung von Wissen und seine Leidenschaft für den Umgang mit Menschen. Diese Kombination erwies sich als unerwartete Chance, aus der eine Idee entsprang: Er wurde im Rahmen der innerbetrieblichen Umsetzung als fachlicher Ausbilder eingesetzt und bildet den gesamten Mitarbeitendenkreis im Ceran-Kochflächen-Produktionsprozess und zu Arbeitssicherheitsthemen weiter. Dabei hilft ihm seine jahrelange Praxiserfahrung aus der Produktion enorm.

Es geht nicht darum, jemandem eine Stelle zu geben, auf der wir ihn nur abstellen. Er soll wieder integriert werden.
Ronja Heßler, Managerin Personalkoordination in der Fachabteilung Ceran von SCHOTT

„Die Frage war: Was kann man aus dieser Situation machen? Wie können wir etwas Neues erschaffen? Wir wollten eine Stelle finden, die ihn weiterhin glücklich macht“, meint Ronja Heßler, Managerin Personalkoordination und Vorgesetzte von Nenad Simic in der Fachabteilung Ceran von SCHOTT. „Wir haben das Glück, jemanden wie ihn zu haben, der einfach so unglaublich motiviert ist. Denn: Es geht nicht darum, jemandem eine Stelle zu geben, auf der wir ihn nur abstellen. Er soll wieder integriert werden.“ Neue Mitarbeitende werden von Prozessverantwortlichen geschult. Aufgrund des großen Bereiches ist der Schulungsbedarf allerdings hoch und eine weitere Unterstützung war sehr willkommen.

Diese neue Stelle ermöglichte es Nenad Simic, sein umfassendes Know-how weiterzugeben und wieder eine wertvolle Rolle im Unternehmen zu besetzen. Besonders für die Auszubildenden ist er zu einer wichtigen und von allen geschätzten Vertrauensperson geworden. Es war eine „Glück im Unglück“-Situation für alle: „Als Ausbilder kann ich meinen Kolleginnen und Kollegen wertvolle Erfahrungen weitergeben. Auch damit sie sehen, dass man immer vorsichtig sein muss, um Unfälle wie meinen zu verhindern“, so Nenad Simic. „Ich bin überzeugt: Man lernt nie aus. Das gilt auch für mich, mir stehen selbst noch einige Schulungen bevor.“

Nenad Simic hatte ausreichend Zeit, sich in die neue Position einzuarbeiten

Die Wiedereingliederungsphase sei anspruchsvoll gewesen und habe mehrere Monate gedauert, so Ronja Heßler. Nenad Simic hatte zwar Fachwissen, kam aber aus einem komplett anderen Tätigkeitsbereich als dem, in dem er jetzt arbeitet. Auf der Basis des großen Vertrauens der SCHOTT AG in die erfolgreiche Neuorientierung konnte der ambitionierte Plan gemeinsam umgesetzt werden. Nenad Simic erhielt die Entgeltersatzleistungen von der VBG für die Zeit, in der er (noch) nicht arbeiten konnte, und die VBG übernahm die Kosten für die Qualifizierungsmaßnahmen. In den Räumen der SCHOTT AG wurde im Rahmen eines Workshops ein eigener Schulungsraum eingerichtet, der nun auch von Nenad Simic zur Schulung von Mitarbeitenden genutzt wird.

Bei der Ausübung seiner neuen Tätigkeit hat Nenad Simic bereits Erfahrungen sammeln können: Die Jugendlichen reagieren positiv auf seinen Unterricht und er kann gut mit Menschen umgehen. Laut Ronja Heßler hätte die Stelle nicht für jeden gepasst: „Gerade, weil die Betreuung von jungen Leuten so anspruchsvoll ist. Es ist auch eine Typsache, mit großen Herausforderungen umgehen zu können”, sagt sie.

Die Geschichte von Nenad Simic zeigt, dass nach schweren Arbeitsunfällen im Einzelfall kreative Lösungen gefunden werden müssen. Die erfolgreiche Wiedereingliederung ist das Ergebnis des Zusammenspiels von individuellen Fähigkeiten und einem engagierten Arbeitgeber, der in seinen Beschäftigten das Potenzial zum Wachstum erkennt. Und sie zeigt: Teamwork zahlt sich aus – egal ob auf dem Spielfeld oder in der Werkshalle.

Teilhabepreis der VBG

Leuchtturm-Beispiele wie das der SCHOTT AG zeichnet die VBG mit dem Teilhabepreis aus. Die VBG prämiert damit gute Praxisbeispiele für eine gelungene berufliche und/oder soziale Teilhabe nach einem Arbeits- oder Wegeunfall oder einer Berufskrankheit.

Sie wollen sich für den Teilhabepreis der VBG 2025 bewerben?
Mehr Infos dazu unter

www.vbg.de/teilhabepreis

20 Jahre Betriebliches Eingliederungsmanagement
 

Nicht nur bei Arbeitsunfällen, wie im Beispiel der SCHOTT AG, wird die VBG für ihre Mitgliedsunternehmen und Versicherten aktiv. Egal, warum Beschäftigte länger ausfallen, die VBG unterstützt Mitgliedsunternehmen bei der Umsetzung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements, kurz BEM. Seit der Einführung des BEM im Mai 2004 sind Unternehmen verpflichtet, ihren Beschäftigten Unterstützung bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz anzubieten, wenn diese innerhalb der zurückliegenden zwölf Monate länger als sechs Wochen am Stück arbeitsunfähig waren oder sich diese Ausfallzeiten durch wiederholte, kürzere Arbeitsunfähigkeiten aufsummieren. Das Betriebliche Eingliederungsmanagement ist aktuell in § 167 Absatz 2 SGB IX geregelt und zielt darauf ab, Arbeitsunfähigkeiten zu überwinden, erneuten Arbeitsunfähigkeiten vorzubeugen – und den Arbeitsplatz der berechtigten Person zu erhalten.

Die Teilnahme am BEM ist für die BEM-berechtigte Person freiwillig. Nimmt sie das Angebot an, entscheidet sie, welche Personen hinzugezogen werden und welche Informationen genutzt werden dürfen. Alle Gespräche sind streng vertraulich. Das BEM beginnt in der Regel mit dem Angebot des Unternehmens, darauf folgt ein Informationsgespräch und eventuell weitere Gespräche, dann wird ein individueller Maßnahmenplan erstellt.

Noch nie von BEM gehört? Die VBG unterstützt Unternehmen bei allen Fragen zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement – von ersten grundlegenden Informationen bis zur strukturellen Umsetzung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements.

„Ein erfolgreiches BEM fördert nicht nur die Rückkehr der BEM-berechtigten Person in die Beschäftigung, sondern wirkt sich oft auch positiv aufs Betriebsklima aus. Zudem schafft es eine höhere Planungssicherheit für das Unternehmen,“ erläutert Tobias Belz, Koordinator des Präventionsfelds Gesundheit mit System (GMS) der VBG-Bezirksverwaltung Mainz.

Links zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM):

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