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Foto: VBG/Gunnar Geller

Motivation„Den Menschen helfen, das gibt dem Leben einen Sinn“

Seit rund zehn Jahren engagiert sich Hana Dahmash beim Verein Hanseatic Help. Certo hat sie besucht, um zu erfahren, was sie zu ihrem Ehrenamt motiviert.

 

Die Geschichte von Hanseatic Help begann im August 2015. Damals kamen hunderttausende Menschen nach Deutschland, viele von ihnen flohen vor dem Bürgerkrieg in Syrien. Es war der Sommer, in dem Angela Merkel „Wir schaffen das!“ sagte – und in dem sich in vielen Städten eine bemerkenswerte Willkommenskultur für Geflüchtete entwickelte. Als in Hamburg zu Sachspenden aufgerufen wurde, schien es, als würde die ganze Stadt Kleidung aussortieren. In den Hamburger Messehallen, in denen rund 1.000 Geflüchtete untergebracht waren, entstand ein großes Spendenlager. Organisiert von Freiwilligen, die rund zwei Monate später den gemeinnützigen Verein Hanseatic Help gründeten. Heute versorgt Hanseatic Help rund 300 Einrichtungen für Menschen in Notlagen mit Sachspenden. Rund um Hamburg, aber auch deutschlandweit und international. 

Für Hana Dahmash war es selbstverständlich, mitzuhelfen
 

Hana Dahmash kam vor fast 10 Jahren allein nach Hamburg und fand in Hanseatic Help eine zweite Familie.

Foto: VBG/Gunnar Geller

Im Sommer 2015 kam auch Hana Dahmash aus Syrien nach Hamburg. Die 55-Jährige war allein unterwegs, ihre drei Söhne waren in der Heimat geblieben. „Ich war glücklich, in Sicherheit zu sein“, erzählt sie. „Und für mich war es selbstverständlich, mitzuhelfen, wo ich kann.“ Zuerst engagiert sie sich ehrenamtlich im Hamburger Veranstaltungsort Bieberhaus in der Kleiderkammer für Kinder. Dort findet sie Gemeinschaft und das gute Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. „Das war mir immer wichtig und daraus habe ich die Kraft dafür gezogen”, sagt sie. Dann entdeckt sie Hanseatic Help. „So viele Menschen haben dort zusammengearbeitet, so viele verschiedene Sprachen. Und alle haben mich freundlich willkommen geheißen.“ Hana Dahmash ist sofort mit Herzblut dabei. Das Motto des Vereins „Einfach machen“ wurde schnell auch zu ihrem und motiviert sie noch heute. „Hana und ich haben damals zusammen die Accessoires sortiert“, berichtet Corinna Walter, die von Anfang an bei Hanseatic Help und heute dort festangestellt ist. Gerade zeigt sie der Ehrenamtlichen, wie „Hello Baby Bags“ zusammengestellt werden, große Taschen mit den wichtigsten Dingen für junge Familien. Während die beiden packen, schwelgen sie in Erinnerungen. „Ich sehe deine Blicke noch genau vor mir. Wenn du mal wieder irgendwas Verrücktes gefunden hattest und mich fragtest: Was ist das? Und: Brauchen wir das?“, erzählt Corinna Walter und beide lachen.

Das Herz des Vereins ist das große Logistikzentrum direkt an der Elbe
 

Wer das Gebäude von Hanseatic Help betritt, hat die Wahl: „Helfen“ und „Spenden“ zeigen zwei große Schilder mit Pfeilen in unterschiedliche Richtungen an. Zum Helfen entscheiden sich neben den über zwanzig hauptamtlich Beschäftigten und den rund 150 Ehrenamtlichen, die regelmäßig kommen auch immer wieder spontane Gäste. 

Außerdem kommen täglich Menschen mit abgelegter Kleidung, Schuhen, Decken oder Schlafsäcken zur Spenden-Abgabe in die Große Elbstraße am Hamburger Hafen. Jedes Stück wird geprüft und dann in großen blauen Kisten vorsortiert. Danach findet es seinen Platz in den deckenhohen Regalen in der Herren-, Damen- oder Kinderabteilung. Und überall gibt es immer etwas zu tun. Trotzdem herrscht eine entspannte Stimmung, es ist ruhig, die Leute plaudern, immer wieder hört man ein Lachen. Normalerweise arbeitet Hana Dahmash in der Damenabteilung. Heute holt sie die Kisten mit Frauenkleidung von der Spendenannahme ab. Dann geht das Sortieren weiter: Ob Oberteile oder Hosen, Kleid oder Rock, Kurzarm oder Langarm – für jede Art von Kleidung und jede Größe gibt es ein Fach in den Regalen. Nach und nach zieht Hana Dahmash die Kleidungsstücke aus der Kiste. Prüft sie noch mal, schaut die Größen nach und faltet sie sorgfältig, bevor sie ins passende Fach einsortiert werden. „Schaut euch diese Jacke an, wie hübsch“, sagt sie und streicht über den Stoff. „Ist das nicht großzügig von der ehemaligen Besitzerin? Ich hoffe, sie kommt in gute Hände.“ Sind die Fächer voll, wird die Kleidung in Kartons gepackt, die beschriftet werden und ins Lager kommen. Gedacht sind sie für Geflüchtete, Obdachlose, Familien mit geringem Einkommen, Kinderheime, Frauenhäuser oder soziale Beratungsstellen. Kommen Anfragen von entsprechenden Organisationen rein, kann das Team schnell und einfach die passenden Spenden zusammenstellen.

Täglich kommen viele Spenden an und werden von Freiwilligen wie Hannes Schmidt (r.) geprüft. Hier reicht er Hana Dahmash eine Kiste mit Damenbekleidung zur weiteren Sortierung.
Foto: VBG/Gunnar Geller
Ursula Bauernschmidt begrüßt Hana Dahmash mit einer festen Umarmung. Sie engagiert sich ebenfalls seit Beginn bei Hanseatic Help.
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Corinna Walter (r.) zeigt Hana Dahmash, wie „Hello Baby Bags“ zusammengestellt werden. Sie ist nach vielen Jahren als Ehrenamtliche heute fest bei Hanseatic Help.
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In die „Hello Baby Bags“ kommen die wichtigsten Dinge für junge Familien. Hier sortieren die Frauen gerade Pflegeprodukte für frischgebackene Mütter.
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Hana Dahmash sortiert Damenbekleidung. Ob Oberteile oder Hosen, Kleid oder Rock, Kurzarm oder Langarm – für jede Art von Kleidung und jede Größe gibt es ein Fach.
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Neue Heimat Hamburg: Auch wenn Hana Dahmash noch oft das Gefühl hat, in einer „Parallelwelt“ zu leben, ist sie in der Hansestadt angekommen.
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Der Verein ist aus zivilgesellschaftlichem Engagement entstanden


An diesem Dezembertag arbeitet Hana Dahmash mit Ursula Bauernschmidt zusammen. Als die Frauen sich sehen, umarmen sie sich fest. Denn es ist eine besondere Woche für die Syrerin: Nach Jahren des Bürgerkrieges in ihrer Heimat wurde das Assad-Regime vor wenigen Tagen gestürzt. Beide Frauen sind von Beginn an bei Hanseatic Help und kennen sich gut. Gemeinsam beschreiben sie die Anfangszeit. „Alle haben einfach irgendwie gemacht. Die Atmosphäre war unglaublich. Es brachte so viel Spaß, gemeinsam etwas Großes zu erschaffen. Heute fühlt es sich eher nach Arbeit an, auch wenn die immer noch Spaß macht“, sagt Ursula Bauernschmidt. „Ich habe damals die Leute gefragt: Warum macht ihr das, ihr könntet euch nach der Arbeit ausruhen, in einem Restaurant sitzen. Warum seid ihr hier?“, erzählt Hana Dahmash. „Die Antwort war: Wenn ich etwas Gutes tue, kommt es zu mir zurück. Das kannte ich von meiner Religion.“ Sie lacht. „Hier war es das Gleiche, nur ohne Religion. Ich habe sofort gespürt, dass alles hier aus Liebe passiert.“

Ich habe sofort gespürt, dass alles hier aus Liebe passiert.
Hana Dahmash, Ehrenamtliche bei Hanseatic Help

Wer anderen hilft, bekommt viel zurück


Hana Dahmash ist gut in Hamburg angekommen. Auch mit Hilfe von Hanseatic Help. Ihr Ehrenamt beschreibt sie als ein großes Glück. „Es wurde mein neues Leben, meine neue Familie“, sagt sie. „Die Menschen hier haben ein großes Herz. Sie haben mir sehr geholfen. Zum Beispiel bei der Wohnungssuche und dem ganzen Papierkram, als mein jüngster Sohn letztes Jahr nach Hamburg gekommen ist.“ Seit zwei Jahren arbeitet Hana Dahmash festangestellt als Servicekraft im Krankenhaus, die B2 Deutsch-Prüfung hat sie bestanden. Ihrem Ehrenamt ist sie trotzdem treu geblieben. „Ich bin mit einer Schwester im Rollstuhl aufgewachsen und habe schon immer mit angepackt.“ In Syrien hat sie Jura studiert. „Ein Beruf, in dem man auch viel helfen kann. Aber das Aktive, das liegt mir mehr.“ Deswegen hat sie in Syrien im Altenheim ausgeholfen. Und deswegen war sie viele Jahre dreimal pro Woche bei Hanseatic Help. Seit sie festangestellt als Servicekraft im Krankenhaus arbeitet, kommt sie einmal pro Woche. Aber sie tut das Ganze nicht nur für die anderen. „Es stimmt, die Menschen brauchen Hilfe. Aber ich, ich brauche das Ehrenamt auch“, sagt sie. „Ich mache das auch für das schöne Gefühl am Abend. Dieses besondere Gefühl, wenn man etwas Gutes getan hat. Den Menschen helfen, das gibt dem Leben einen Sinn.“ Sie lächelt. „Ich sage immer, ich bin eine verwöhnte Frau. Ich habe sehr viel Glück gehabt. Meine Prüfung war, dass ich meine Söhne so lange nicht sehen konnte. Aber es geht mir gut. Ich habe alles, also kann ich auch etwas zurückgeben.“

Weiterlesen: Im Certo-Interview „Lust auf Ehrenamt? Einfach anfangen!“ spricht Dr. Vivian Schachler von der Deutschen Stiftung für Ehrenamt und Engagement (DSEE) unter anderem darüber, welche Rolle Ehrenämter für die Gesellschaft in Deutschland haben. Sie gibt außerdem Tipps, wie man selbst ehrenamtlich tätig werden oder als Unternehmerin oder Unternehmer die Beschäftigten dabei unterstützen kann.

Ehrenamtlich arbeiten - sicher und geschützt

Ehrenamtliches Engagement ist wertvoll. Doch was passiert bei einem Unfall? Die VBG bietet Ehrenamtlichen unter bestimmten Voraussetzungen sowohl gesetzlichen als auch freiwilligen Unfallversicherungsschutz. Auf www.vbg.de/Ehrenamt finden Sie alle Informationen zur Unfallversicherung für Ehrenamtliche.

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