Das Feuer knistert im Kaminofen als Michaela Eul, Aufsichtsperson im Sachgebiet Prävention der BV Bergisch Gladbach, an einem kalten Dezembermorgen den Showroom des rheinland-pfälzischen Unternehmens Quetlich Feuerkultur betritt. Oliver Quetlich, Inhaber des Familienbetriebs für Ofenbau aus Montabaur, begrüßt Eul direkt an der Tür: „Herzlich Willkommen, Frau Eul, und schön, Sie wiederzusehen. Suchen wir uns doch gleich ein warmes Plätzchen.” Die beiden verschwinden über die Treppe im ersten Stock des charmanten, ehemaligen Bahnhofsgebäudes. Michaela Eul schaut sich sorgfältig in den drei geräumigen Büroräumen im ersten Stock des alten Fachwerks um. Auf dem Tisch liegt ein grüner Verbandkasten. „Wunderbar Herr Quetlich – den habe ich beim letzten Mal ja vermisst. Den hängen wir nach unserem Gespräch am besten gemeinsam auf.”
Gefährdungen und Belastungen entlarven, um Arbeitsschutz zu fördern
Michaela Eul besucht das Kleinunternehmen in Montabaur zum zweiten Mal. In ihrer Position als Aufsichtsperson bei der VBG untersucht sie Arbeitsunfälle, berät und hilft Unternehmen bei der Umsetzung gesetzlicher Vorgaben zur Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz und überwacht, dass Arbeitsschutzvorgaben eingehalten werden. In regelmäßigen Workshops und Seminaren gibt sie ihr Wissen als Dozentin an interessierte Mitglieder weiter. Ein Fokus bei der Beratung und Überwachung der Mitgliedsunternehmen liegt auf der Beurteilung der Arbeitsbedingungen. In Deutschland ist jedes Unternehmen dazu verpflichtet eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und diese zu dokumentieren. Konkret geht es um eine systematische Ermittlung aller Gefährdungen und Belastungen im Arbeitsalltag von Beschäftigten. Ihr folgend entwickeln die Unternehmerinnen und Unternehmer Maßnahmen, um Risiken zu minimieren.
„Viele wissen nicht, dass sie gesetzlich dazu verpflichtet sind, die Beurteilung durchzuführen – ganz unabhängig von der Größe des Betriebs und der Branche. Ich helfe ihnen dabei, den ersten Schritt zu machen und stehe bei Fragen oder Unsicherheiten an ihrer Seite“, sagt die Expertin für Arbeitssicherheit. „Im Erstgespräch verschaffe ich mir einen Überblick, wie das Unternehmen den Arbeitsschutz bisher organisiert. Ich erkläre, dass die Beurteilung der Arbeitsbedingungen den Kern der innerbetrieblichen Arbeitschutzorganisation bildet und welche Systematik dahintersteckt. Oft stellen wir im Gespräch fest, dass relevante Gefährdungen und Belastungen bereits entlarvt wurden, ohne dies dokumentiert zu haben. Abgesehen von den gesetzlichen Vorgaben, die wir einhalten müssen, spielt gesunder Menschenverstand bei der Gefährdungsbeurteilung eine wesentliche Rolle. Es geht darum, wirksamen Schutz für alle im Betrieb zu gewährleisten”, erklärt Eul im Gespräch mit Certo.
Im nächsten Schritt beurteilen die Unternehmer und Unternehmerinnen die gefundenen Gefährdungen und Belastungen: Wie hoch ist das Risiko, dass dieser Fall eintritt? „Zur Veranschaulichung gibt es hierfür ein Ampelschema. Bei einer grünen Bewertung wird die Wahrscheinlichkeit, dass jemand zu Schaden kommt sowie die Schadenschwere als sehr gering eingeschätzt. Hier reicht es, die Gefährdung oder Belastung erst einmal zu beobachten. Wenn sie ein Risiko rot bewerten, müssen die Unternehmen sofort die Umsetzung von Maßnahmen gewährleisten.“
Es geht darum, wirksamen Schutz für alle im Betrieb zu gewährleisten.
Von ergonomischen Bürostühlen bis zu Schutzbekleidung
Im Büro kann das beispielsweise ganz klassisch die fehlerhafte Sitzhaltung sein – hier helfen ergonomische Stühle und Computerbildschirme, die höhenverstellbar und somit an unterschiedliche Körpergrößen anpassbar sind. Im Produktionsbereich muss die sichere Bedienung von Maschinen und anderen Arbeitsmitteln gewährleistet sein. Wo die Sicherheit nicht durch technische oder organisatorische Maßnahmen hergestellt werden kann, reduziert Schutzkleidung wie Schutzhandschuhe und Sicherheitsschuhe die Restrisiken im Arbeitsalltag. „Wir interessieren uns aber auch für die psychischen Belastungen im Unternehmen. Die sind nicht leicht zu erfassen, darum bieten wir hierfür Arbeitshilfen und Beratung durch unsere Arbeitspsychologen und Arbeitspsychologinnen an. Gerade in Kleinunternehmen sind die Unternehmerinnen und Unternehmer selbst aber oft so nah am Team dran, dass sie einen ganz guten Einblick haben”, erklärt Eul.
Quetlich Feuerkultur ist ein solches Kleinunternehmen. Knapp zehn Mitarbeitende helfen täglich dabei, Kundinnen und Kunden eine individuelle Feuerstelle in ihrem Zuhause zu ermöglichen. Das Familienunternehmen gibt es seit über 30 Jahren in Montabaur. „Ich habe täglich eine lange Liste an Aufgaben abzuarbeiten. Als ich mit der Gefährdungsbeurteilung angefangen habe, wirkte das erstmal wie ein großer Berg Zusatzarbeit auf mich. Aber mit Frau Eul zusammen haben wir kleine Arbeitspakete geschnürt. Sie hat uns dabei geholfen, Struktur in den Prozess zu bringen. Mittlerweile konnten wir so nicht nur Gefahren beseitigen. Ich merke auch, dass meine Mitarbeitenden leistungsfähiger sind”, berichtet Oliver Quetlich. „Diese Erfahrung machen wir häufig”, ergänzt Eul. „Die Mitarbeitenden freuen sich darüber, dass ihre Ängste und Sorgen gehört werden. Sie spüren die Wertschätzung und sind entsprechend motivierter auf der Arbeit – und bleiben den Unternehmen so oft lange erhalten. Sie schätzen es auch, wenn Arbeitgebende eine gesunde Fehlerkultur vorleben. Das schafft Vertrauen im Team.“
Digitale Tools erleichtern die Beurteilung
Neben den Beratungsgesprächen bietet die VBG ihren Mitgliedsunternehmen Tools an, die die Gefährdungsbeurteilung erleichtern. Für Kleinunternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitenden gibt es das KPZ-Portal. Das kostenfreie Online-Tool führt Interessierte Schritt für Schritt durch den Prozess. „Schauen Sie, Herr Quetlich, hier können Sie im ersten Schritt Ihre Branche auswählen. Dann erhalten Sie in verschiedenen Lernmodulen Informationen, die auf Ihre Branche zugeschnitten sind. Wenn Sie sich darüber einen groben Überblick verschafft haben, führen Sie anhand von Fragekatalogen im sogenannten Praxis-Check die Beurteilung durch. Den Prozess können Sie jederzeit unterbrechen, abspeichern und ein anderes Mal fertig stellen“, erklärt Eul dem Unternehmer.
Man wird nicht alleine gelassen und kann trotzdem alles selbstständig erledigen. Die Flexibilität hilft sehr, alles unter einen Hut zu bekommen.
Die beiden klicken sich erst durch das Modul „Arbeitsplätze gestalten und gut ausstatten“, dann durch „Störungsfrei arbeiten“. Sie speichern einen ersten Zwischenstand ab – Quetlich möchte beide Bereiche später noch einmal in Ruhe durchgehen. „All meine Teammitglieder sind seit Jahren an Bord, einige sogar seit Jahrzehnten. Ihre Sicherheit ist meine oberste Priorität. Ich möchte, dass alle Mitarbeitenden mir noch lange gesund und munter erhalten bleiben. Mit dem KPZ-Portal kann ich mir einen noch besseren Überblick über meine Aufgaben zur Gefahrenbeseitigung verschaffen. Manche Dinge hat man im Alltag einfach nicht vor Augen, da ist es gut, Denkanstöße zu erhalten“, sagt Quetlich.
Am Ende des Prozesses im KPZ-Portal können die Nutzerinnen und Nutzer eine Hotline anrufen, die durch Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte betreut wird. Hier lassen sich individuelle Fragen direkt klären. „Man wird nicht alleine gelassen im Prozess und kann trotzdem alles selbstständig und zu seiner Zeit erledigen. Die Flexibilität hilft sehr, alles unter einen Hut zu bekommen“, sagt Quetlich.
Bevor Eul das gemütliche Bahnhofsgebäude verlässt, hängen die beiden den neuen Verbandkasten auf. „Beim letzten Besuch von Frau Eul hatten wir noch keinen – wir haben im Büro bisher nie Verletzungen gehabt. Und auch wenn wir natürlich hoffen, dass das so bleibt, ist es doch ein gutes Gefühl, zu wissen, dass wir auf kleine Verletzungen nun vorbereitet sind”, erklärt Quetlich. „Manchmal sind es die kleinen Dinge, die das Leben erleichtern – solche Veränderungen sind ein Zeichen von Wertschätzung. Das macht sich auch in der Zufriedenheit der Belegschaft bemerkbar. Mit Arbeitsschutz fährt man einfach nachhaltiger”, schließt Eul ab.
Bevor Eul das gemütliche Bahnhofsgebäude verlässt, hängen die beiden den neuen Verbandkasten auf. „Beim letzten Besuch von Frau Eul hatten wir noch keinen – wir haben im Büro bisher nie Verletzungen gehabt. Und auch wenn wir natürlich hoffen, dass das so bleibt, ist es doch ein gutes Gefühl, zu wissen, dass wir auf kleine Verletzungen nun vorbereitet sind”, erklärt Quetlich. „Manchmal sind es die kleinen Dinge, die das Leben erleichtern – solche Veränderungen sind ein Zeichen von Wertschätzung. Das macht sich auch in der Zufriedenheit der Belegschaft bemerkbar. Mit Arbeitsschutz fährt man einfach nachhaltiger”, schließt Eul ab.
Gefährdungsbeurteilung im Überblick:
Was ist die Gefährdungsbeurteilung?
Die Gefährdungsbeurteilung ist die systematische Ermittlung potenzieller Gefährdungen und Belastungen am Arbeitsplatz, um die Arbeitsfähigkeit und Gesundheit der Mitarbeitenden langfristig zu erhalten. Die Beurteilung umfasst alle Einwirkungen (z.B. physikalische, chemische, biologische, psychische), die auf die Beschäftigten bei ihrer Arbeitsaufgabe durch die verwendeten Arbeitsmittel, die zu bearbeitenden Gegenstände oder aus der Arbeitsumgebung in allen Bereichen des Unternehmens einwirken.
Warum braucht es eine Gefährdungsbeurteilung?
Laut Arbeitsschutzgesetz müssen Arbeitgebende Maßnahmen des Arbeitsschutzes treffen, um Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu gewährleisten. Mit der Gefährdungsbeurteilung werden alle potenziellen Gefährdungen und Belastungen, denen Beschäftigte bei der Arbeit ausgesetzt sind, regelmäßig systematisch ermittelt. In Deutschland ist jedes Unternehmen zu Durchführung und Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung verpflichtet, unabhängig von der Unternehmensgröße oder -branche.
Wie werden Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt?
Das Arbeitsschutzgesetz legt fest, dass Arbeitgebende für die Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung verantwortlich sind. Das Arbeitssicherheitsgesetz fordert die Betreuung der Unternehmen durch Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärztinnen bzw. Betriebsärzte. Sie unterstützen Arbeitgebende bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und deren Dokumentation.
Alternativ zu dieser Form der sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung haben Unternehmerinnen und Unternehmer von Kleinunternehmen die Möglichkeit, die Aufgaben von Fachkraft für Arbeitssicherheit und Betriebsärztin bzw. Betriebsarzt selbst zu übernehmen. Zu diesem Zweck melden sie sich im KPZ-Portal an, informieren sich dort online zu den arbeitsschutzrelevanten Themen und erstellen ihre Gefährdungsbeurteilung selbst. Die VBG bietet Unternehmerinnen und Unternehmern dabei Hilfestellung durch die persönliche Beratung von Aufsichtspersonen und Arbeitshilfen, wie Broschüren, Kataloge, Checklisten und Software.
Gut zu wissen:
Der Gefährdungsbeurteilungs-Navigator hilft Ihnen aktiv zu werden und abhängig Ihrer Unternehmensgröße, die ersten Schritte einzuleiten. Was insbesondere Kleinunternehmerinnen und -unternehmer beachten müssen, lesen Sie auf dieser Übersichtsseite. Sie wollen direkt mit dem KPZ-Portal durchstarten? Hier geht‘s zum Login.
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